Die Blüte des Eukalyptus
alias Gypsy waren? Dass Sie in Besitz seines Pferdes namens Sarishan sind, das Sie für Terence Ogdens Rennen im Jahre 1839 trainiert haben, also vor etwa vier Jahren? Dass Gypsy Ihnen später dieses Pferd für die Waffen und die Nahrungsmittel überließ, die Sie ihm gebracht hatten?«
Keziah sah Daniel erschrocken an. Wie sollte er da rauskommen?
Hamberton deutete mit der Hand auf Jake. »Bitte beantworten Sie eine Frage nach der anderen.«
Jake verlor keine Zeit. »Erstens, ich leugne nicht, dass ich Gem vor etwa sechs Jahren kennen lernte.«
»Da lag er in Ketten, nicht wahr?«, sagte der Ankläger wie aus der Pistole geschossen.
»Wie viele unserer besten Bürger«, entgegnete Jake im Versuch, seinem hastigen Einwand entgegenzutreten. »Ich bin jedermanns Freund, ob frei oder unfrei, der mir nichts Böses getan hat. Wir hatten dieselbe Schwäche für Pferde.«
»Stimmt es etwa nicht, dass Gypsy während seiner Karriere als Buschräuber jede Menge Pferde gestohlen hat?«
»Glauben Sie bloß nicht alles, was in den Zeitungen steht«, konterte Jake. »Ich jedenfalls kann nicht von Dingen erzählen, die ich nicht persönlich gesehen habe. Und was Sarishan angeht, so liegen Sie ebenfalls falsch: Er war nicht gestohlen, also habe ich nicht gegen Gesetze verstoßen, als ich ihn für das Rennen trainierte, das er völlig legal gewonnen hat. Und er war auch keine Bezahlung. Ich hatte Gem versprochen, für sein Pferd zu sorgen, falls er ins Gefängnis musste. Das hätte jeder anständige Kerl an meiner Stelle auch getan.« Dann wandte er sich an Richter Hamberton. »Brumbys können nicht gestohlen werden, Euer Ehren. Es sind Wildpferde, die niemandem gehören.«
»Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, was?«, tönte der Staatsanwalt.
Jake hatte Mühe, seine Wut im Zaum zu halten. »Und jetzt zu Ihrer letzten Frage. Ich habe weder Gem noch einem anderen Ausreißer jemals Waffen oder Munition besorgt. Aber wenn irgendwer, ob frei oder unfrei, an meinem Lagerfeuer auftaucht, wäre ich der Letzte, der sich weigert, mein Brot und Wasser mit ihm zu teilen. Das ist keine Unterstützung, Euer Ehren, sondern ein ungeschriebenes Gesetz in der Wildnis von New South Wales.«
Keziah wusste, dass es nicht gelogen war, aber die ganze Wahrheit war es auch nicht.
Jake hatte sich zwar geweigert, ihnen Waffen und Munition zu beschaffen, aber er hatte Gem Proviant in die Höhle gebracht.
Als Jake gefragt wurde, ob er bereit sei, auf die Bibel zu schwören, antwortete er: »Ehrlich gesagt, es wäre ein hohler Schwur, Euer Ehren. Ich bin der Großcousin eines Atheisten, aber ich schwöre gern auf meine Ehre. Hier weiß jeder, dass Jake so gut ist wie sein Wort.«
»Das kann ich bezeugen!« Keziahs impulsive Worte lösten zustimmendes Murmeln unter den Anwesenden und ein bärbeißiges »Hört! Hört!« von George Hobson aus.
Der Richter warf einen Blick auf die Gerichtsuhr. »Wie es aussieht, genießen Sie tatsächlich großes Ansehen, Andersen, das
lässt sich nicht leugnen. Ich hoffe, die Aussagen der letzten beiden Zeugen bringen Licht in diese Angelegenheit.«
Als Keziah sah, wie Gilbert Evans auf die Bibel schwor, sagte sie zu Daniel: »Sauberes Wasser kommt nie aus einer schmutzigen Quelle! Am liebsten würde ich ihn …«
Daniel brachte sie mit einem flüchtigen Kuss auf den Mund zum Schweigen.
Als Keziah und Jake sich ansahen, empfand Daniel einen Anflug von Mitgefühl. Sie hatte Tränen in den Augen. Daniel versuchte, seine eigenen Gefühle zu unterdrücken, um nichts zu verpassen, was für den Fortgang des Prozesses wichtig war. Er machte sich große Sorgen, was passieren würde, wenn Jake schuldig gesprochen würde. Dabei schämte er sich vor seiner instinktiven, rein ästhetischen Reaktion auf die neue Strafmethode, die angewendet wurde, um Häftlinge kleinzukriegen. Ausgedehnte Einzelhaft in einer dunklen Zelle war besser, als Jakes vollkommenen Körper mit einer Peitsche zu zerfetzen.
Daniel hörte aufmerksam zu, während Gilbert Evans aussagte. Er war aalglatt, ja, unterwürfig und spickte seine Aussage mit versteckten Anspielungen statt Fakten. Als Evans sich auf einen belastenden, unsignierten Brief bezog und als Beweis anführte, musste er einräumen, dass er ihn von »einem Freund« bekommen hatte, allerdings nicht beweisen konnte, woher das Schreiben stammte oder wann es verfasst worden war.
»Was für einen Brief?«, fragte Keziah Daniel. »Evans spricht mit doppelter Zunge. Die werden doch
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