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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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den Plan, den er gezeichnet hatte, und fügte neue Erkenntnisse hinzu. Die von Zellen gesäumten Gänge waren angeordnet wie Speichen in einem achteckigen Rad. Aber wo liegen die Zellen der Frauen? In Berrima sitzen weit weniger Frauen als Männer ein. Vielleicht haben sie Kez in einer Einzelzelle untergebracht. Besser als mit einer skrupellosen Mitgefangenen wie Lucretia Dunkley.
    Plötzlich überkam ihn Panik. Jesses! Die Dunkley weiß, dass sie
am Galgen enden wird. Sie hat nichts zu verlieren, wenn sie noch jemanden umbringt!
    Jake zwang sich zur Ruhe und dachte weiter über seinen Plan nach.
    Er vermutete, dass es im Gefängnis von Berrima einen Mann gab, der ahnte, warum er von der »mordenden Lehrerin« derart besessen war, doch da er Pfaffen nicht über den Weg traute, ging er ihm aus dem Weg. Als er ins Büro des Seelsorgers gerufen wurde, zuckte er die Achseln. Kez würde wahrscheinlich sagen, dass es ein Wink des Schicksals ist.

    Vor ihm saß ein untersetzter Mann mit breiter Brust, der Ähnlichkeit mit einer kirchlichen Version von John Bull aufwies, allerdings ohne die Union-Jack-Weste. Der Kaplan sah ihm in die Augen, als akzeptierte er ihn, so wie er war, mit seinen guten und schlechten Seiten.
    »Frederick Parsons, mein Sohn, ich vertrete meinen Kollegen, der in Urlaub ist.« Er legte beiläufig eine Bibel auf den Tisch. »Ich vermute, dass du kein regelmäßiger Kirchgänger bist, Jakob.«
    »Da haben Sie Recht, Rev. Ich weiß, dass Sie es gut meinen, aber Sie vergeuden nur Ihre Zeit. Bei mir ist Hopfen und Malz verloren.«
    »Ich glaube nicht, dass der Schöpfer dir da zustimmen würde. Außerdem will ich dich darauf hinweisen, dass ich als Priester der Schweigepflicht unterstehe und alles, was du mir anvertraust, vor Gericht nicht verwendet werden darf.«
    Jake erzählte ihm, wie er verurteilt worden war, weil er befreundeten Buschräubern geholfen hatte. Er hoffte, den Kaplan damit abzuschrecken. Stattdessen weckte er sein Interesse.
    »Ah, der Schwadroneur. Ein junger Quäker, der sich mit der Bibel bestens auskennt. Ich war einmal mit meinem römisch-katholischen Kollegen Father Dennis Declan unterwegs, als er uns überfiel. Da er Geistlichen partout kein Geld abknöpfen wollte,
führten wir eine lebhafte Diskussion über den heiligen Matthäus, der bekanntlich Steuereintreiber war.«
    Jake wurde bewusst, dass er mit harten Bandagen kämpfen musste, wenn er den lästigen Bibelfritzen loswerden wollte.
    »Es kommt noch schlimmer, Rev. In Ihren Augen bin ich ein Ehebrecher. Zwei Jahre war ich mit der Frau eines anderen unterwegs und habe jede verfluchte Minute genossen.«
    Der Kaplan überlegte einen Augenblick und sagte dann leise: »Ich sollte dich warnen, Jakob, es ist verdammt schwer, mich zu schockieren. Im Übrigen ist mir die Frau, um die es geht, bekannt. Eine Dame, die es nicht verdient hat, hier zu sein. Die sogenannte mordende Lehrerin.«
    Jake war überrascht und versuchte, ihn niederzustarren. »Ich habe nicht behauptet, dass sie es ist.«
    »Das musstest du auch nicht, Jakob. Ich bin schon so lange in Gefängnissen, dass ich einem bloß in die Augen schauen muss, um zu wissen, ob er schuldig oder unschuldig ist.«
    »Man klagt sie des Mordes an«, sagte Jake hastig, »aber sie ist unschuldig!«
    Jake blickte dem Geistlichen in die Augen und legte die Hand herausfordernd auf die Bibel. »Ich schwöre bei Gott, wenn ich auch nur die geringste Chance hätte, würde ich jemanden umbringen, um sie hier herauszuholen. Sehen Sie, Rev, Sie vergeuden bloß Ihre Zeit mit mir!«
    »Nein. Du brauchst mich jetzt mehr als jemals zuvor.« Der Kaplan stand auf. »Gottes Wege sind unergründlich. Ich habe eine Bibelstelle unterstrichen. Lies sie, wenn du allein bist!«
    Da Jake nichts zu verlieren hatte, packte er die Gelegenheit beim Schopf. »Es hätte wohl keinen Zweck, Sie zu bitten, Saranna Browne eine Botschaft zu überbringen, wie?«
    Der Kaplan zwinkerte ihm zu. »Lies. Danach reden wir weiter. «
    Jake war plötzlich alarmiert. Was ist das für ein Witzbold?
    Er kehrte in seine Zelle zurück, die kaum größer war als eine
Hundehütte. Er teilte sie sich mit einem sanftmütigen, alten Mann, der behauptete, Jesus zu sein. Hier entdeckte Jake in der Bibel ein leeres, um einen Bleistift gewickeltes Blatt. War das etwa ein Trick, um ihn zu zwingen, die Bibel zu lesen, nachdem er sein Leben lang erfolgreich einen großen Bogen darum gemacht hatte? Mühsam buchstabierte Jake die Verse, die der

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