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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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Medikamenten? Jetzt leuchtete ihm ein, warum Joseph Bloom unter allen Umständen hatte verhindern wollen, dass sie in den Zeugenstand gerufen wurde. Keziah war so verwirrt, dass sie die beste Zeugin der Anklage wäre.
    Zurück in seiner Zelle ging Jake erneut den verzweifelten Plan
durch, an dem er in den vergangenen Wochen gearbeitet hatte. Doch inzwischen lag sein Zellkumpan, der Sanfte Jesus, hellwach im Bett und zitierte unermüdlich aus der Bibel.
    »Leg mal eine kleine Verschnaufpause ein, Kumpel«, bat ihn Jake. »Bei dem Lärm kann man ja keinen klaren Gedanken fassen! «
    Der Alte drehte sich zum Schlafen um. »Ich sehe dich im Paradies wieder, mein Sohn.«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann, Kumpel«, murmelte Jake leise.
    Als der Alte endlich ruhig war, überflog Jake im Geist seinen Plan. Bei ihrem letzten Treffen hatte Will Martens ihm die Stelle verraten, wo sich der Stein befand, den er gelöst und danach wieder in die alte Stelle geschoben hatte, damit »ein anderes armes Schwein« denselben Fluchtweg benutzen konnte. Damals hatten sich Wills Worte wie ein Scherz angehört.
    »Wer weiß, vielleicht kannst du diese Information selbst mal gebrauchen!«
    Im Dunklen schwor Jake bei seinem eigenen Leben. Ich hole dich hier raus, Kez. So oder so.

FÜNFZIG
    A ls Keziah in ihrer Zelle aufwachte, war sie fest davon überzeugt, dass sie Jake nur im Traum begegnet war. Mit seinem geschorenen Schädel und dem abgezehrten Gesicht hatte er völlig anders als sonst ausgesehen. Vor langer Zeit hatte sie eine Vision gehabt und Jakes kahlen Kopf hinter diesen Gittern an der Zellentür gesehen. Und da wurde ihr bewusst, dass die letzte Nacht kein Traum gewesen war. Die Wirklichkeit unterschied sich in einem wichtigen Punkt. Sie waren alle beide Gefangene.
    Könnte es sein, dass ich Iago tatsächlich ermordet habe? Keziah versuchte, den Grund für die Angst herauszubekommen, die ihr Gedächtnis blockierte. Jedes Mal, wenn sie im Geist die Tür zu Iagos Hütte öffnete, versank sie in diesem schrecklichen schwarzen Loch. Jetzt aber schossen ihr plötzlich bruchstückhafte Erinnerungen durch den Kopf. Scham und Schrecken überwältigten sie, nicht, weil ihr bewusst wurde, dass sie tatsächlich Iago getötet hatte – er hatte nichts anderes verdient –, sondern weil sie mit ihrer Gewalttat Jakes Leben und das ihrer Kinder zerstört hatte.
    Sie klammerte sich an einen einzigen Gedanken. Den Brief. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren und die Wahrheit sagen, damit Jake freikam. Sie musste die gaujo im Gericht mit ihren eigenen Waffen schlagen.
    Als der Wärter ihr eine Schüssel mit Wasser brachte, wusch sie sich das Gesicht, in der Hoffnung, das kalte Wasser würde sie erfrischen. Bis zur Geburt würde es noch länger als einen Monat dauern, aber die Gefängniskluft spannte jetzt schon über dem Bauch.
    Wenig später erschien Leslie Ross mit einem Päckchen.

    »Joseph Bloom bittet Sie, Ihr Haar so zu tragen wie die junge Ehefrau und Mutter, die wir alle kennen. Und Janet Macgregor sagt, dies würde Ihnen bei Gericht am besten stehen. Außerdem soll ich Ihnen bestellen, dass Sie den Kopf nicht hängen lassen dürfen.«
    Das Päckchen enthielt ein mit feinen Spitzen besetztes, rosafarbenes Kleid, an dessen Kragen Sarannas Kamee-Brosche steckte. Es war eine Geste der Solidarität unter Gefangenen. Keziah musste sich zwingen, Leslie in die Augen zu sehen.
    »Meine Freunde sind wirklich ein Segen Gottes. Verzeihen Sie, Doc, aber ich will kein Laudanum mehr nehmen. Ich bekomme schreckliche Albträume davon. Und ich will mich erinnern können. Ich glaube, dass ich gesehen habe, wie Iago gestorben ist.«
    »Aye, ich dachte mir schon, dass es eines Tages so weit käme«, sagte er vorsichtig. Dann nahm er eine silberne Phiole aus seiner Arzttasche und schenkte etwas von der Flüssigkeit in einen Becher ein.
    »In einer Stunde beginnt Ihr Prozess. Das ist eine neue Teesorte aus Indien. Ihr Engländer glaubt ja, mit Tee ließen sich alle Probleme lösen, und so wird es sein.«
    Keziah warf ihm ein schräges Lächeln zu. »Ich bin zwar eine walisische Roma, aber ich will es trotzdem probieren.«
    Er beobachtete sie beim Trinken. »Er braucht etwas Zeit, um seine Wirkung zu entfalten, aber er wird Sie beruhigen, Mädchen. «
    Nachdem der Doc gegangen war, zog Keziah das Kleid an. Sie kaschierte die versengte Stelle an ihrem Kopf und flocht ihr Haar sorgfältig zu einem Zopf, um den sittsamen Eindruck zu erwecken, den sich Joseph

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