Die Blüte des Eukalyptus
folgte ihm durch ein dunkles Labyrinth von Gängen zwischen endlosen Reihen von Zellen. Gelegentlich zerrissen Stimmen oder Pfiffe die Stille. Ihre Schritte hallten wider, als sie eine steile Treppe hinaufstiegen. Jakes Nerven waren derart angespannt, dass sich seine Frage fast wie eine Anklage anhörte. »Hey, wo bringen Sie mich hin?«
»Keine Sorge. Ich bin es, der einen Kopf kürzer gemacht wird, wenn du ausbüxt. Also sei so nett und bleib in meiner Nähe, ja?«
Jake bemerkte, dass die Zellen in diesem Gang leer waren. Am fernen Ende rahmte ein vergittertes Fenster einen Teil des Mondes ein, der den schwarzen Himmel zerriss. Der Anblick brachte schmerzhafte Erinnerungen zurück. Keziahs Mond. Werde ich jemals wieder frei sein, um sie unter den Sternen zu lieben?
Vor einer großen Tür mit einem Gitterfensterchen blieb der Geistliche stehen. Es war eine Tür wie jede andere, nur hörte Jake plötzlich jemanden dahinter atmen. Keziah.
Der Priester warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. »Ich fürchte, hineinlassen darf ich dich nicht. Mehr kann ich nicht für dich tun, Jakob. Ich lasse dich jetzt ein paar Minuten allein.«
Jake hörte, wie sich die schweren Stiefel entfernten, und sah, dass die schwarze Silhouette des Priesters am Ende des Gangs vor einem vergitterten Fenster stehen blieb, als wollte er zusehen, wie hinter den Gefängnismauern der Mond aufging.
Das Schattennetz der Zelle schien leer zu sein. Doch nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er, wie sich etwas auf einer Bank bewegte. Er umklammerte die Gitterstäbe und sagte leise: »Kez, ich bin’s!«
Sie stand auf und kam auf die Tür zu wie eine Schlafwandlerin. Sie stand unter starken Beruhigungsmitteln, und Jake fluchte auf den übereifrigen Doc. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Pupillen waren glasig. Ihre Haut hatte bereits die typische Gefängnisblässe angenommen: wie jemand, der lange Zeit unter der Erde verbracht und keine Sonne gesehen hat. Das Haar hing ihr wie ein nasser Schleier ins Gesicht, als hätte sie nicht die Kraft, sie aus dem Gesicht zu streichen. Man hatte ihn zwar gewarnt, dass Keziah sich verändert habe, aber auf diesen Anblick war er nicht gefasst gewesen. Kein Wunder, dass der Seelsorger ihm die Wahrheit verschwiegen hatte.
»Alles wird gut, Kez. Ich bringe es wieder in Ordnung. Lass den Kopf nicht hängen.«
Sie steckte die Finger durch die Gitter und fuhr ihm über den geschorenen Schädel.
Doch dann schaute sie plötzlich überrascht auf seinen Kopf. »Sie haben dir das Haar abgeschnitten, Jake. Was ist passiert?«
Jake bemerkte erst, dass er weinte, als er ihre Finger küsste und sah, wie seine Tränen auf ihre Hand fielen.
»Ich hole dich hier raus, Liebling. So oder so. Ich schwöre es, ich werde nicht zulassen, dass unser Kind im Gefängnis zur Welt kommt.«
Keziah war offensichtlich verwirrt. »Wieso darf ich nicht zu
dir, Jake? Und warum sagen alle, Daniel wäre mein Mann? Ich gehöre doch zu dir.«
Jake hatte nur wenige Minuten Zeit, um ihr einzubläuen, dass sie das nicht sagen durfte.
»Natürlich, Liebling, aber das ist unser Geheimnis. Du musst so tun, als sei Daniel der Vater unseres Kindes. Die Richter wollen, dass alles seine Ordnung hat und mit dem Gesetz übereinstimmt. « Dann fügte er geduldig hinzu, als hätte er ein kleines Kind vor sich: »Vergiss nicht, dass du im Gericht weiterhin so tun musst, als wärst du Saranna Browne. Das verstehst du doch, nicht wahr?«
Aber Keziah schien ihm zu entgleiten. »Ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß, dass Iago tot ist. Die anderen sagen, ich hätte ihn umgebracht. Glaubst du das?«
»Du hast nichts Unrechtes getan, Kez. Denk daran. Iago war ein Ungeheuer.«
Sie sah ihn erschrocken an. »Ich erinnere mich an die kleine Pistole! Das war sehr klug von dir, mir beizubringen, wie man damit umgeht, Jake.«
»Nein, Kez. Du darfst die Pistole nicht erwähnen. Du musst dir immer wieder klarmachen, dass du unschuldig bist!«
Er steckte die Hände durch die Gitter, um sie an sich zu ziehen und sie zu küssen, doch sie war schon wieder unterwegs zur Bank. Und dann musste er sehen, wie sie vor seinen Augen einschlief.
Der Geistliche nahm ihn am Arm. »Tut mir leid, Jakob. Die Zeit ist um.«
Jake war, als risse man ihm das Herz aus dem Leib, trotzdem taumelte er schockiert über Keziahs geistige Verfassung hinter dem Kaplan her. Hatte Iagos Tod sie in den Wahnsinn getrieben? Oder lag es an den
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