Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
Vom Netzwerk:
Dann fügte er halb im Scherz hinzu: »Wir nehmen Dan mit, sozusagen als Anstandsdame.«
    Keziah nickte vorsichtig.
    »Ich will dich nicht belügen, Kez. Gabriel will Mrs. Hamberton besuchen, die Frau des Richters. Irgendwie hat er einen Narren an ihr gefressen. Mein Gefühl sagt mir, dass sie die Unbekannte ist, die hinter den Kulissen an meiner Entlassung gearbeitet hat. Übrigens auch an deiner. Ich stehe tief in ihrer Schuld.«
    Er sah ihr in die Augen. »Ich glaube, du weißt, worum ich dich bitten will, aber es ist deine Entscheidung.«

ACHTUNDFÜNFZIG
    E s war ein dunstiger, grauer Tag. Ein drückender Westwind peitschte der schweigenden Gruppe ins Gesicht und zerrte an ihren Nerven. Keziah fühlte sich, als würde sie in einem Karren zum Schafott gefahren.
    Um den Schein zu wahren, hatte Jake eine Art Rangordnung für die Öffentlichkeit aufgestellt. Er selbst war der Kutscher, während Mr. und Mrs. Daniel Browne wie ein Königspaar auf dem Rücksitz saßen.
    Keziah war gerührt, als sie sah, dass Gabriel sich neben Jake setzte und wie ein Schießhund aufpasste, um von seinem Vater zu lernen, wie man die Pferde lenkt.
    Als sie das brodelnde Stadtzentrum von Goulburn erreichten, blieb Keziah lieber in der Kutsche sitzen, während die beiden Männer ihren Geschäften nachgingen. Gabriel, der ihre Angst gespürt hatte, setzte sich schweigend neben sie. Um unerkannt zu bleiben, drückte Keziah die Haube tief ins Gesicht. Wie gelähmt war sie vor Scham. Seit Wochen war sie Jakes Bemühen ausgewichen, sie wieder in die Rolle als seine Frau und damit in sein Bett zu locken. Mi-duvel! Wie lange kann ich ihn noch auf Abstand halten?
    Plötzlich erschien Jake wie ein Springteufel auf dem Kutschbock und riss sie aus allen Gedanken.
    »So, das wäre erledigt. Daniel ist in eine Schenke gegangen, um sich ein Bier zu genehmigen. Ich stoße später hinzu.« Er reichte Gabriel eine kleine Flöte. »Die ist für dich, Kumpel.«
    Dann fuhr Jake sie zu einer Straße, an der die elegantesten Geschäfte für die Adligen lagen, und hielt vor einem eindrucksvollen, doppelstöckigen Sandsteingebäude. Die L-förmige Veranda
und der französische Balkon waren mit Schmiedeeisen geschmückt, das aussah wie Zuckerguss auf einer Hochzeitstorte.
    Dass Gabriel dieses Haus und die Hausherrin mochte, war eine Sache, doch Jake konnte nicht einschätzen, was Keziah dieser Besuch kostete. Und sie dachte gar nicht daran, es ihm zu verraten.
    Erneut ging Jake in die Offensive. »Du hast den Mut, sie zu treffen, Kez. Ich weiß es.« Als wäre damit alles gesagt, streckte er sich auf dem Kutschbock aus und drückte sich den Hut in die Stirn, um ein Nickerchen zu halten.
    Keziah nahm Gabriels Hand, als er ihr beim Aussteigen half. Es erinnerte sie an die Stunde seiner Geburt, als sich seine winzige Hand an die ihre geklammert und ihr Mut gegeben hatte.
    Auf der von Efeu überwucherten Veranda zeigte sie auf einen schmiedeeisernen Stuhl. »Setz dich dort hin. Ich bin gleich zurück.«
    Der Junge nickte und hob die neue Flöte an die Lippen, um sich zu beschäftigen.
    Ein Dienstmädchen führte sie den mit schwarzem und weißem Marmor gekachelten Gang entlang. Keziah betrachtete sich in einem Spiegel. Ihr blaues Baumwollkleid war von der Reise zerknittert, der Zopf unter dem Roma-Halstuch verborgen. Auf ihren Wangen zeigten sich nach einigen Wochen Landlebens wieder die ersten Spuren von Farbe. Doch die malvenfarbenen Ringe unter den Augen waren noch da. Ihre Botschaft wäre unmissverständlich. Es würde auf beiden Seiten schonungslos gekämpft. Was geht es mich an, was diese gaujo -Frau von mir denkt? Sie hat nicht das Recht, über andere zu richten.
    Einen Augenblick später fand sich Keziah in einem vornehmen Salon wieder, Auge im Auge mit der Gattin des Richters. Mrs. Hamberton saß auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne und trug ein einfaches schwarzgraues Kleid aus Seide – dasselbe verräterische Grau wie die dunklen Ringe unter ihren Augen.
    Offenbar bin ich nicht die Einzige, die keinen Schlaf findet. Als sie sie im Gerichtssaal in einem Geistesblitz wiedererkannt hatte,
war sie schockiert gewesen. Jetzt hatte sie Zeit, um die Frau zu studieren. Das feine Haar war aus der Stirn frisiert, aber es wirkte nicht gekünstelt. Kein Schmuck. Die schön geformten Hände lagen fest gefaltet im Schoß, die vornehme, melodische Stimme klang ruhig.
    »Danke, dass Sie mich aufsuchen. Ich weiß, wie schwer Ihnen diese Entscheidung gefallen sein muss,

Weitere Kostenlose Bücher