Die Blüte des Eukalyptus
Gesicht. Er stand auf einen Spaten gestützt da, als machte er Ferien in der Sonne.
»Bist du taub? Du hast doch gehört, was der Aufseher gesagt hat. Halt also den Mund und mach dich an die Arbeit.«
Will kam etwas näher, um zu verbergen, dass er mit ihm sprach. »Wir treffen uns heute Abend. Ich habe einen Plan, der dich ganz sicher interessieren dürfte.«
»Du hast einen Plan? Du redest zu viel. Das wird dich noch das Leben kosten.«
Will nahm verstohlen einen Pfirsich aus der Tasche und reichte ihn Daniel. Es war der erste Pfirsich, den Daniel in diesem Jahr sah. Den letzten hatte er in Plews’ Haus probiert. Saranna hatte ihn mit Stückchen der saftigen Frucht gefüttert. Aus ihren Augen hatte ihr ganzes Herz gesprochen, als sie zitierte: »Süßes dem Süßen …«
»Na los, iss schon«, drängte Will. »Er ist nicht vergiftet.«
Daniel warf einen misstrauischen Blick auf den Pfirsich, doch dann überwältigte ihn der Hunger, und er biss genüsslich in das saftige Fleisch.
Will musterte ihn selbstgefällig. »Ich habe einen kleinen Nebenverdienst. Stehe Schmiere für zwei Ausreißer, die zu den Waffen gegriffen haben. Ich komme immer vor dem Morgengrauen zurück, sodass der Teufel in Person nichts davon mitbekommt.«
»Dann bist du ein noch größerer Dummkopf, als ich dachte. Ihm entgeht nämlich gar nichts.«
Will ließ sich nicht beirren. »Die Jungs bezahlen mich mit Essen und ein paar Münzen. Ich will leben. In Freiheit. Etwas Besseres gibt es nicht!«
»Du bist ein Narr. Mach endlich, dass du an die Arbeit kommst. Ich werde für deinen dummen Fluchtplan nicht Kopf und Kragen riskieren.«
»Nicht mal, wenn du dir dann neues Zeichenpapier kaufen könntest?«, grinste Will.
Es ärgerte Daniel, dass der andere sich über seine Kunst lustig machte. »Halt die Klappe. Ich komme schon zurecht.«
Will schob ab, und Daniel legte sich noch stärker ins Zeug, obwohl sein schrumpfender Magen sich anfühlte, als nagte eine Ratte an ihm.
Ein paar Tage später, als sich Daniel nach einem schweren Arbeitstag erschöpft zu seiner Hütte schleppte, hörte er das unverwechselbare Geräusch, bei dem ihm jedes Mal das Blut in den Adern gefror. Peitschenhiebe.
Er wusste, was los war. Die Jonstones waren noch nicht vom Gouverneurs-Ball in Parramatta zurück. Bis zu ihrer Ankunft hatte der Aufseher das Sagen. Das Gesetz sah vor, dass er Gefangene, die gegen die Regeln verstießen, dem Richter vorführen musste, doch der Teufel in Person genoss seine Macht und ließ sie illegal auspeitschen. In Jonstones Abwesenheit war er das einzige Gesetz.
Je näher Daniel kam, umso deutlicher hörte er das Echo der rhythmischen Peitschenhiebe, die durch den Busch hallten. Die Angst, dass auch er eines Tages der Peitsche zum Opfer fallen könnte, machte ihn krank. Wie üblich hatte sich auf Befehl des Aufsehers eine Gruppe von Gefangenen versammelt, um dem Vorgang beizuwohnen, eine Abschreckungsmaßnahme. Doch dieses Mal stimmte etwas nicht. Man hörte niemanden schreien. Und wenn das Opfer nicht Gott um Gnade anflehte oder bewusstlos am Pfahl hing, dann musste es tot sein.
Durch eine Lücke im Gestrüpp erkannte Daniel, dass der Gefangene noch jung war, er stand mit gespreizten Beinen da und trotzte den gleichmäßigen Schlägen der Lederriemen. Sein Haar war feucht, der Körper schweißüberströmt. Obwohl die Wunden am Rücken heftig bluteten, gab er keinen Laut von sich.
Die versammelten Männer wichen vor dem Blut zurück.
Daniel trat noch etwas näher und sah die durchbohrenden
schwarzen Augen des Gefangenen und den olivfarbenen Körper mit dem tätowierten K auf der Brust. Wer, wenn nicht Gem Smith, würde seine Zähne so blecken, als hieße er jeden Peitschenhieb willkommen? Daniel konnte sein unheimliches Grinsen nicht ertragen und blieb hinter den letzten Gefangenen stehen.
Der Teufel in Person saß mit versteinertem Gesicht auf seinem Pferd und musste sich damit abfinden, was allen Anwesenden klar war. Er könnte warten, bis er schwarz wurde, niemals würde der Zigeuner um Gnade betteln.
Schließlich befahl die verhasste, sanfte Stimme dem Auspeitscher, aufzuhören. »Sein Schweigen langweilt mich.«
Daniel versuchte, nicht aufzufallen, als Will sich anschickte, den Gefangenen vom Pfahl loszubinden. Gem war fest entschlossen, ohne Hilfe aufrecht zu gehen. Er warf dem Aufseher ein unverschämt charmantes Lächeln zu.
»Habe Sie wohl nicht unterhalten können, Mr. Iago?«
Daniel war vom Mut des Zigeuners
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