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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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beunruhigende Umriss eines ihr fremden Baumes die Kulisse für eine Reihe von gewalttätigen Bildern darstellte. Dann ergoss sich rotes Blut aus dem Baumstamm und floss über die Erde.
    » Mi-duvel! Welche Grausamkeiten stehen uns wohl bevor? Möge Del dich beschützen, Gem.«

    Doch kein Gebet war stark genug, um das Bild dieses entsetzlichen Baums aus ihrem Kopf zu vertreiben. Keziah klammerte sich an ihr Amulett und die Worte ihrer Großmutter, dass sie nichts zu fürchten hätte, so lange sie das schützende Amulett trug. Ein nagendes Gefühl im Magen erinnerte sie daran, dass sie seit Stunden nichts gegessen hatte. Sie stieg aus dem Bett.
    »Na schön, ich weiß, dass du Hunger hast, mein Kleiner. Es ist meine Schuld, dass du unterwegs bist, nicht deine.«
    Sie tunkte trockenes Brot in Wasser, damit es weich wurde, und aß es zusammen mit einer saftigen Birne. Der dunkle, samtene Himmel war mit mehr Sternen übersät, als sie je im Leben gesehen hatte. Die verrückten Muster hatten fast nichts gemein mit den Konstellationen, die sie als Kind gelernt hatte.
    Keziah fuhr sich mit der Hand über den Bauch und sprach zu dem kleinen Leben in ihrem Leib.
    »Der morgige Tag wird uns die Antwort bringen und uns den Weg zeigen, den wir einschlagen müssen.«

ELF
    D er ferne metallische Klang eines Eisenstabes, der gegen einen Triangel geschlagen wurde, weckte bei Daniel Browne einen vertrauten Anflug von Wut, obwohl es in Gideon Park das Zeichen für die Mittagspause war.
    Erschöpft ließ er sich im Schatten eines Eukalyptusbaums nieder, verschlang den Inhalt seines Blechnapfs und überließ den leeren Teller einem Schwarm von Schmeißfliegen. Wie üblich sah auch die heutige mickrige Ration wässrigen Eintopfs so aus, als sei sie voller Maden, doch nach einem Jahr konnte Daniel sein Essen herunterwürgen, ohne dass ihm die Galle hochkam. Das Abendessen in dem kleinen Speisesaal für die Strafgefangenen war noch widerlicher.
    Daniel hielt stets Abstand zu seinen Mitgefangenen, denn er wusste, wie sehr sie ihn verachteten. Ihre kehligen Laute wurden von grobem Gelächter unterbrochen, als einer ihn als »affigen Dreckskerl« beschimpfte, »der allein geht – und allein schläft«.
    Daniel versuchte, ihre Schmähungen zu ignorieren. Sollen sie sich mit ihren Sträflingsbräuten amüsieren. Er hatte gesehen, wie Männer ihre Kumpel für einen verbotenen Schluck Rum denunzierten. Diese Arschlöcher glauben, dass ich niemandem Loyalität schulde. Sie haben Recht! Solange ich weder einen Freund noch einen Vertrauten habe, kann mich auch niemand verraten.
    Trotzdem musste er sich fragen, wie lange es dauern würde, bis auch ihm nichts anderes übrig bliebe, als seine Seele zu verkaufen.
    Nach seiner Verlegung nach Gideon Park hatte sich Daniel einen verzweifelten Überlebensplan ausgedacht. Theoretisch war
er ganz einfach. Er würde arbeiten, bis er umfiel, und sich nicht beklagen, damit der Aufseher nicht den geringsten Anlass fand, ihn auszupeitschen.
    Doch Daniel hatte bald eingesehen, dass er keine sieben Jahre Hunger aushalten würde und auch nicht die nie endende Angst, als Nächster der Peitsche zum Opfer zu fallen. Die einzige Hoffnung, dieser Hölle zu entkommen, war Saranna Plews. Jeden Tag wartete er mit weniger Hoffnung auf einen Brief von ihr, auch wenn er wusste, dass ein Schiff Monate brauchte, um ihn zu bringen. Ein katholischer Priester, Father Declan, hatte den verzweifelten Brief abgeschickt, den er ihr nach seiner Ankunft geschrieben hatte. Der ursprüngliche Rat des Gottesmannes hatte Daniel große Hoffnung gemacht. Wenn seine Verlobte aus freien Stücken in die Kolonie kam und bei dem Gouverneur den Antrag stellte, ihn heiraten zu dürfen, standen die Chancen, dass man Daniel aus Gideon Park entließ und er rechtmäßig seiner Frau zugeteilt wurde, nicht schlecht. Die Behörden waren der Meinung, dass verheiratete Strafgefangene das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Kolonie verringern würden. Die Ehe galt als Gegengift gegen die wild um sich greifende Unzucht und andere Abscheulichkeiten.
    Daniel ritzte für jede Woche einen Strich in seine Zellenwand. Er klammerte sich an die Erinnerung an Saranna, an ihr Versprechen im Gerichtssaal, ihm zu folgen. Trotzdem konnte er diese andere Erinnerung nicht loswerden – wie er aus Chester abgeführt worden war und Saranna sich abgewandt hatte. Ob sie es sich anders überlegt hatte? Allmählich verhärtete sich sein Herz gegen sie. Diese Maus

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