Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
Vom Netzwerk:
Alter: einundzwanzig. Haar: schwarz. Augen: dunkelbraun. Hautfarbe: dunkel. Größe: eins achtzig – großer Kerl! Kann weder schreiben noch lesen. Verurteilt in Glamorgan Assizes. Geburtsort: Llangadfan, Wales. Religion: keine. Vergehen: Pferdediebstahl. Strafe: sieben Jahre. Anmerkungen: kräftig, sieht aus wie ein Zigeuner, Herztätowierung mit einem K auf der linken Brust, das wären wohl Sie, was?«, grinste der Mann süffisant.
    Keziah ging nicht darauf ein. »Wo ist er jetzt?«
    »Hier steht, dass er einem gewissen Julian Jonstone Esquire in Gideon Park zugewiesen wurde, in der Nähe des Lake Incognito.«
    »Wären Sie so nett, mir auf Ihrer Karte zu zeigen, wo das liegt?«
    Der Beamte folgte dicht hinter ihr, als er sie zur Karte an der Wand begleitete. Keziah versuchte, nicht einzuatmen. Der Mann roch, als hätte er seit einem Jahr nicht mehr gebadet.
    Die Karte verwirrte sie. Sie hatte die Umrisse einer Insel erwartet, sah aber nur einen einzigen Streifen von blauem Meer auf der unteren rechten Seite.

    »Das kann doch nicht eine Karte von Australien sein.«
    »Lieber Himmel, nein, das ist nur die Ostküste, die Kolonie New South Wales.«
    Er zog einen groben Kreis mit dem Finger. »Ganz England würde in diesen kleinen Teil von Australien hineinpassen.«
    Keziah war von der Größe dieses neuen Landes überwältigt, löcherte ihn aber trotzdem weiter mit Fragen nach Gems Verbleib.
    Er tippte mit dem Finger auf die Karte. »Könnte sein, dass Lake Incognito gar nicht mehr da ist. Er hat die Gewohnheit, alle paar Jahre wieder zu verschwinden.«
    Sie kehrte zum Tisch zurück, um den erlösenden Abstand zwischen ihnen wiederherzustellen.
    »Das Risiko gehe ich ein. Würden Sie so freundlich sein, mir zu zeigen, wie ich zur nächsten Postkutschenstation komme.«
    Der Beamte hatte es nicht eilig, sich von ihren Brüsten zu verabschieden.
    »Das wird nicht viel nützen, gute Frau. Hier steht, Jem Smith sei abgekommen.«
    Keziah hasste es, ihre Unwissenheit zu offenbaren. »Heißt das, dass er verlegt wurde?«
    »Dass er ausgebüxt ist.« Er las die Akte laut vor. »Wurde im März wieder eingefangen, in Ketten gelegt und einer Strafkolonie zugeteilt, die eine Straße durch den Busch baut. Sollte eigentlich wieder nach Gideon Park zurück, ist aber diesen Monat erneut ausgerissen. Wahrscheinlich schlägt er sich mittlerweile als Buschräuber durch. Das ist das, was wir zuhause als Wegelagerer bezeichnen.«
    Einen Moment glaubte Keziah, sie würde vor Schreck in Ohnmacht fallen. Sie schwankte und hielt sich am Tischrand fest. Der Beamte zwinkerte ihr zu.
    »Am besten, Sie warten ab. Die Trooper werden ihn schon schnappen. Falls sie ihn nicht vorher über den Haufen schießen.«
    Keziah trat in die Hitze hinaus und hatte das Gefühl, in einen Backofen geraten zu sein. Als das Kind in ihrem Bauch eine unerwartet
heftige Bewegung machte, musste sie würgen. Würde sie noch eine Fehlgeburt haben? Sie hatte nicht die Kraft, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Sie setzte sich neben der Hafenmauer auf den Boden und vergrub den Kopf in den Händen.
    Es war, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Wie sollte sie in dieser verkehrten Welt überleben? Sie konnte lesen, aber nur sehr langsam. Sie konnte ihren Namen und das Alphabet schreiben. Ihr Kräuterwissen wäre hier begrenzt – sie hatte keine Ahnung, welche Pflanzen in diesem sandigen Boden wuchsen. In Sydney Town würde sie sich mit ihren Tarot-Kenntnissen über Wasser halten können. Doch was nutzte ihr das, wenn Gem sich meilenweit entfernt als Bandit im Busch herumtrieb? Er konnte überall sein, ohne auch nur zu ahnen, dass sie hier war.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie stand abrupt auf. »Gem kennt mich besser als jeder andere. Er weiß, dass ich zu ihm gehöre und ihm bis ans Ende der Welt folgen würde.« Sie sah sich verbittert um. »Und genau da bin ich nun!«
    Entschlossen stieg sie die Treppen zu ihrer Pension hinauf. Als sie fast oben angelangt war, schöpfte sie neuen Mut angesichts eines Schwarms von weißen Papageien, die sich auf einem Baum niederließen. Ihre schwefelgelben Kämme waren fächerförmig ausgebreitet wie die Blüten seltener Blumen, während sie laut durcheinanderkreischten.
    Diese Papageien halten zusammen wie eine Familie. Gem ist die einzige Familie, die ich noch auf dieser Welt habe.

    In dieser Nacht wälzte sich Keziah im Schlaf herum, während sie versuchte, die Reste eines Albtraums abzuschütteln, in dem der

Weitere Kostenlose Bücher