Die Blume der Diener
Verteidigung zu sagen?«
Margaret hob das spitze Kinn und warf ihm einen so verächtlichen Blick zu, dass er erbleichte. »Wie sollte ich mich verteidigen, Wicht? Das hier ist kein Prozess, sondern eine Hofbelustigung, eine Anstandsposse, deren Ausgang allen bekannt ist. In deinen Augen bin ich bereits schuldig; also brauche ich mich nicht zu verteidigen.« Sie wandte sich von Lord Higham ab und richtete sich unmittelbar an den König. »Ich habe das Recht, dem Ankläger gegenübergestellt zu werden. Wer nennt mich eine Zauberin und Verräterin?«
Lord Higham warf dem König einen raschen Blick zu. Lionel nickte. »Der König selbst, der für die ruhelose Seele eines gewissen Sir William Flower spricht, klagt dich des Mordes an. Deine Tochter, Lady Elinor Flower, ist Zeugin deiner Zaubereien.« Lord Higham gab dem Herold ein Zeichen, worauf dieser erneut eine Fanfare blies. »Tretet hervor, Lady Flower, Witwe des Sir William Flower, Ritters und Herren von Hartwick Manor.« Bleierne Stille folgte auf seine Worte. Dann glitt eine Gestalt in tiefer Trauer heran. Feierliche Würde umhüllte sie so eng wie ihr tintenschwarzer Mantel.
Margaret machte unwillkürlich einen Schritt auf Elinor zu, wobei die Fesseln an ihren erhobenen Händen klirrten. Sie erstarrte, als die Wachen sie zurückhielten. Sie presste die Lippen fest zusammen. Unausgesprochene Flüche belebten ihre verkrümmten Finger und diamantenen Augen. Neben Master Hardy bildete Mistress Rudyard mit Daumen und kleinem Finger ein Horn und spuckte hindurch.
Master Hardy legte beruhigend den Arm um ihre festen Schultern. »Beim heiligen Nefadus, Molly, bist schon ’n verwegenes Weibsstück. Aber ich halte trotzdem zu Haushofmeisterin Flower.«
»Still, Piers«, flüsterte Mistress Rudyard. »Die Zauberin spricht.«
»Da bist du also, meine Tochter. Du kommst wie ein Vogel, der Böses verkündet, und willst dich beizeiten an meinem sterbenden Körper mästen. Ist diese prächtige Trauerkleidung für deinen Mann und sein winselndes Balg oder für deine Mutter, die morgen verbrannt wird?«
Mit bleichem und starrem Gesicht trat Elinor näher heran und sah Margaret fest in die Augen. Zuerst hatte es den Anschein, dass Elinor mit ihrem Witwenschleier und faltenreichen Trauergewand die ältere der beiden Frauen war. Margaret hätte in ihrem aufgelösten und kecken Hurenkleid Elinors Enkelkind sein können. Doch die stolze Haltung der Zauberin schwand unter dem ruhigen Blick ihrer Tochter. Margaret fiel in sich zusammen und kauerte wie ein altes Weib vor Elinors Beinen.
»Fragt sie!«, kreischte Margaret. »Fragt sie, warum ich meine Macht verloren habe. Wenn ich eine Zauberin bin, dann ist sie eine noch größere Zauberin. Sie hat meine eigenen Diener gegen mich aufgehetzt. Sieh dich vor!«, schrie sie und deutete mit bebender Hand auf den König. »Sieh dich vor, törichter Junge! Du schenkst deine Liebe einer herzlosen Hexe, die ihre eigene Mutter verrät und vernichtet und ihr eigenes Geschlecht verleugnet.«
Lord Higham hatte während Margarets Rede mit offenem Mund dagestanden. Nun befahl er hastig, die Gefangene solle zum Schweigen gebracht werden, doch sein erregtes Gackern verstummte unter einer gebieterischen Geste des Königs.
»Deine Tochter steht nicht vor Gericht – so wenig wie wir selbst«, gab ihr König Lionel zu verstehen. »Du bist unsere Gefangene, die wir unter Lebensgefahr eigenhändig ergriffen haben. Du tätest gut daran, dich vor diesem Gerichtshof ziemlicher zu betragen.«
»Vor diesem Gerichtshof«, schnaubte Margaret verächtlich. »Vor diesem ach so gerechten Gerichtshof, wo der eine Ankläger meine eigene Tochter und der andere mein Richter ist. Wenn sich der Gerichtshof ehrenhaft betragen würde, folgte ich seinem Beispiel gern.«
König Lionel legte sein Zepter beiseite, stieg die Stufen hinunter und stellte sich neben die kniende Zauberin. Er wandte sich an Lord Higham, der so rot wie seine Robe geworden war. »Wir übergeben Euch die Leitung dieses Gerichtshofes, Lord Higham, denn schließlich seid Ihr Lord-Oberrichter über Albia. Wir befehlen Euch, uns wie jeden anderen Zeugen zu befragen.«
Lord Higham räusperte sich, trat auf die Stufe unterhalb des Throns und bemühte sich deutlich, einen klaren Kopf zu bekommen. Dann fragte er stockend, was Lady Flower und König Lionel über den Charakter und die Taten der Zauberin wussten.
Mit klarer und tiefer Stimme erzählte Elinor, was sie in der Kräuterkammer erlebt hatte
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