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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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Sollte Lionel etwa als König Lionel der Sodomit in die Chroniken von Albia eingehen?
    Der König zitterte um seine Seele und sein Königreich und es gab niemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Was sein Beichtvater sagen würde, wusste Lionel nur zu gut, und William Flower gab es nicht mehr. Lady Flower hatte ihn verschluckt und den Diener in eine Witwe mit niedergeschlagenen Augen und in einer Robe verwandelt, die an ein schwarzes Nonnenhabit erinnerte. Nein, Lionel konnte Lady Flower nicht vertrauen; sie schien Williams Mitgefühl und Weisheit zusammen mit Williams Wams und Umhang abgestreift zu haben. Lionel blieb nichts anderes übrig, als allein und ungetröstet die Hände zu ringen und zu weinen.
    Am Morgen des Prozesses gegen die Zauberin waren die Unterköche derart aus dem Häuschen, dass jede Soße stark nach Essig schmeckte und die Fleischpasteten durchweicht und beinahe roh serviert wurden. Die Pagen ließen Tranchierbretter fallen und schütteten das Bier neben die Krüge wie Bierkellner in einer einfachen Taverne. Die Bratenspieße drehten sich so flott, dass das Fleisch nicht gar werden konnte. Wenn Master Hardy die Köche und Küchenjungen nicht im Auge behielt, warfen sie ihre Schürzen beiseite und schlichen sich heimlich von ihren Aufgaben fort. Zur Mitte des Morgens war die Küche beinahe leer; die große Halle hingegen war knüppelvoll und brodelte wie eine Starenpastete.
    Kurz vor Mittag zog Master Hardy majestätisch mit Mistress Rudyard am Arm aus der Küche nach oben und nahm seinen Platz an der Vorderseite der Galerie ein. Als hätten sie nur auf ihn gewartet, bliesen Hörner einen Tusch. Die großen Tore zum Schlosshof flogen auf. Flankiert von Herolden in roten Wappenröcken schritt Thomas Frith unter einer feierlichen Fanfare die Halle entlang. Hinter ihm folgte das Gericht, das, Margarets Verbrechen angemessen, aus lauter hohen Adligen bestand. Der neue Haushofmeister und der Lord-Oberrichter sowie neun Barone von Albia und der Herzog von Trinley marschierten in Zweier-Reihen ein. Sie waren in kostbare Gewänder gekleidet und mit goldenen Ehrenabzeichen übersät. Es war deutlich zu sehen, wie Lord Brackton unruhig an seiner neuen Kette fingerte.
    Als sich diese Leuchten der Gerechtigkeit zu beiden Seiten des Thrones aufgestellt hatten, erklangen die Trompeten ein weiteres Mal und kündigten den Erzbischof von Albia an. Unter einem dritten Tusch erschien schließlich König Lionel in einem wogenden, scharlachroten Gewand. Sein Gesicht wirkte unter der hohen, goldenen Krone von Albia hart und unnachgiebig. Rasch schritt der König von der Tür zur Estrade, erklomm die Stufen und wandte sich dem Gericht zu. Im Gesicht des jungen Königs spiegelte sich nun deutlich die ganze Hoheit seines edlen Vaters wider.
    Der König setzte sich. Ein struppiger, kleiner Mann, der wie ein Zwerghahn wirkte, stolzierte in die Mitte der Halle und räusperte sich. Da Albia schon seit so vielen Jahren ein ruhiges Land war, musste Lord Higham nur selten in seiner Eigenschaft als Lord-Oberrichter von Albia auftreten. Er plusterte sich auf, beäugte seine Pergamentrolle, holte tief Luft und krähte:
    »Hört, hört! Seine höchste Hoheit König Lionel, Herzog von Albia, Graf von Bucklesford, Protektor von Capno, Ritter vom Heiligsten Kreuz und unumschränkter Herrscher über das Königreich Albia, ruft dieses Gericht zusammen, um Margaret, genannt die Zauberin des Steinturms, des Verrats an ihrem Land und König anzuklagen. Die Angeklagte möge herbeigeführt werden, auf dass ihr Prozess beginnen kann.«
    Die Mitglieder des Haushalts drängten und drückten sich um Master Hardy, sodass er gezwungen war, ein paar Ohrfeigen zu verteilen, bevor er freie Sicht hinunter in die Halle hatte. Als sich der Aufruhr allmählich legte, stand die Zauberin bereits vor den Richtern.
    Master Hardy starrte sie verdutzt wie ein Bauernlümmel an. Margaret war in einem verschlammten grünen Kleid vor diese erhabene Versammlung gebracht worden. Der Stoff hing ihr in Fetzen um die Beine und entblößte unziemlich viel von ihrem Busen. Das unbedeckte Haar wogte in kupferfarbenen Elfenlocken um ihre Schultern und ihr Gesicht war verschmiert und dreckig. Trotz ihrer eisernen Fesseln stand sie aufrecht und stolz wie eine Königin da, während Lord Higham sie des Mordes, Diebstahls, Verrats und Umgangs mit Dämonen beschuldigte.
    »Margaret, genannt Zauberin des Steinturmes«, beschloss er seine Anklage. »Was hast du zu deiner

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