Die Blume der Diener
oder Schweinchen ausweiden zu lassen. Es gab eine einfache Lösung sowohl für das Rätsel als auch für diese verzwickte Lage: Er sollte diesen Spitzbuben ohne viel Aufhebens entlassen. Als aber Master Hardy beim ersten Hahnenschrei gähnend in die Küche kam, traf er William bereits dort an; vor einer bewundernden Zuschauerschaft aus Küchenjungen fältelte er geschickt die Oberseite einer Pastete. Belustigt hielt Master Hardy seine Zunge im Zaum und erlaubte es dem jungen Mann, sich seine Arbeit selbst zu suchen.
Nachdem sich William gegen Ende des Tages als ausgezeichneter Koch erwiesen hatte – er war geschickt und konnte gut mit Gewürzen umgehen –, kümmerte sich Master Hardy nicht weiter um den Knaben. Wenn sich der hübsche Sohn irgendeines Lords unbedingt die weißen Hände in der Küche des Königs fettig machen wollte, dann war er herzlich dazu eingeladen, solange er nur hart arbeitete. Als Master Hardy am nächsten Tag die Rechnungen zu Sir Andrew Melton, dem königlichen Tafelmeister brachte, bat er ihn darum, den Namen ›William Flower‹ als Unterkoch in das Haushaltsregister einzutragen.
Sir Andrew starrte den Meisterkoch mit weinverschleierten Augen an. »Genug Unterköche«, brummte er mürrisch. »Mehr Köche als Adlige bei Hofe heutzutage.« Trotzdem kritzelte er ›Wm Flr. – Un’koch‹ an den Rand des täglichen Bestandsverzeichnisses für Weizen und Gerstenmehl. Diesen Eintrag las am nächsten Morgen Lord Roylance, der Haushofmeister des Königs.
»Eine Schrulle von Master Hardy«, meinte Sir Andrews zu ihm. »Sagt, der Mann sei ein Wunder, was Torten und Pasteten angeht. Hat ihn zum Unterkoch bestellt, ohne vorher um Erlaubnis ersucht zu haben.«
Lord Roylance, der bereits seit vierzig Jahren königlicher Haushofmeister war, nörgelte zahnlos an den Unkosten herum, pflügte sich durch die Berge von Pergament auf seinem Schreibtisch, grub das Haushaltsregister aus und machte eine Eintragung in seiner unleserlichen, spinnenhaften Handschrift: ›Wm. Floure, Unnderkhoch: xl s p.a.‹ Und so wurde William Flower Koch in der Küche des Königs.
Das Personal der königlichen Küche war so bunt gemischt, wie man es sich diesseits des Jüngsten Gerichts nur vorstellen kann. Am unteren Ende der Standesleiter befand sich der Küchenjunge Ned; er war der vaterlose Sprössling von Mistress Rudyard, der königlichen Oberwäscherin. Am oberen Ende war Master Peter Rawlings, der Soßenmeister, welcher der jüngste legitime Sohn von Alfred Rawlings, dem Earl of Brackton war. Zwischen diesen beiden gab es Freie, adlige Bastarde, jüngere Söhne, Abenteurer und Pöbel aus der Stadt, die alle in großem Durcheinander in der Küche zusammengepfercht waren wie Aale in einer Pastete.
Neben der gesunden Angst vor den Launen des Meisterkochs war das Einzige, was diesen Spitzbuben und Ehrenmännern gemeinsam war, eine eingehende Kenntnis der Lebensgeschichte ihrer Kollegen. Lange Stunden in schweißtreibender Nachbarschaft, die Arbeit an denselben Gerichten und die Erhitzung durch dieselben Feuer machte aus Hoch und Niedrig Brüder, so wie es die wortgewaltigsten Predigten des Erzbischofs nicht vermochten.
Diese Bruderschaft war jedoch nicht auf christlicher Liebe, sondern auf verächtlicher Vertrautheit gegründet. Alle Welt wusste, dass Richard Talbot aus Angst vor seinem zänkischen Eheweib nicht in sein Heimatdorf zurückkehrte und der Seneschall des alten Königs angeblich Hal Clemin mit Hugh Clemins Frau gezeugt hatte. Sie kannten die Namen von Peter Rawlings unehelichen Kindern und wussten, ob deren Mütter im Schloss oder in der nahen Stadt Cygnesbury lebten. Aber selbst nachdem der neue Unterkoch länger als sechs Wochen bei ihnen war, konnte kein Mann oder Junge von sich behaupten, er kenne den Geburtsort William Flowers, den Namen seines Vaters oder den Umfang seines Grundbesitzes.
»Ein feiner, rätselhafter Ehrenmann, wirklich«, beschwerte sich Peter Rawlings bei jedem, der ihm zuzuhören geneigt war. »Pah! Erinnert euch an meine Worte: Er wird schon in zwei Wochen auf und davon sein und das Küchensilber mitnehmen. Vielleicht ist er auch ein strebsamer, hinterhältiger Spitzbube, der Master Hardy beibringen will, wie man alles besser macht, noch bevor das Jahr halb vorbei ist.«
Master Rawlings erwies sich als schlechter Prophet. Anders als die übrigen Lehrlingsköche, die mit großem Vergnügen jahrein und jahraus drauflos schwatzten, war Master Flower ein stiller Mann, der sich nur
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