Die Blume von Surinam
herausgefunden hatte, wo die Plantage lag und wie er dorthin reisen konnte. Und dann würde er schon sehen, wie sie ihn empfing.
Thijs riss ihn aus seinen Gedanken. »Wie heißt die Plantage denn?«
Immerhin, das wusste er. Er hatte sich immer über den Namen gewundert. »Rozenburg.«
»Ach!« Thijs grinste. »Das ist ja ein Zufall! Rozenburg liegt ganz in der Nähe der alten Plantage meiner Eltern. Wir sind sozusagen Nachbarn, auch wenn die Entfernung nicht unbeträchtlich ist. Dann verlieren wir uns ja vielleicht gar nicht aus den Augen.« Er zwinkerte Wim fröhlich zu.
Wim traute seinen Ohren nicht. Was für eine glückliche Fügung! Er befragte Thijs nach dem Weg zu Juliettes Plantage und war zutiefst beruhigt. Sollten sie in der Stadt nicht erwartet werden, würde er sich in Paramaribo nach einem günstigen Boot erkundigen und dann schon in wenigen Tagen nach Rozenburg aufbrechen.
Aber noch waren sie ja nicht einmal an Land. Wim schaute sich um. An der Reling stand Pieter Brick, er wirkte angespannt und war ungewöhnlich schweigsam.
»Mijnheer Brick, werden Sie auch in Pamabibo verweilen?«, fragte Gesine jetzt.
»Paramaribo heißt die Stadt.« Seine Stimme klang kühl, dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. »Mevrouw Vandenberg, ich denke, wir werden uns in der Stadt sicherlich noch einmal sehen.«
Gesine schien diese Antwort sichtlich zu erfreuen. Wim selbst war nicht sonderlich erpicht auf Bricks Gesellschaft, auch wenn der Mann meist freundlich gewesen war und Gesine geholfen hatte. Weitere Gespräche an Bord hatten Wims ersten Eindruckbestätigt. Der Mann war ein unbelehrbarer Altkolonist, der keinen Hehl daraus machte, dass er jedem Menschen anderer Hautfarbe am liebsten mit der Peitsche begegnen würde. Er hatte Wim so ausführlich und detailliert den früheren Umgang mit den Sklaven beschrieben, dass Wim sich sicher war, dass Brick aus einem umfangreichen eigenen Erfahrungsschatz gesprochen hatte. Wim war gespannt, wie die Stimmung und der Umgang untereinander im Land wirklich war, immerhin war die Sklaverei vor gut fünfzehn Jahren abgeschafft worden.
Dieser Umstand allerdings schien seiner Frau nicht bewusst zu sein. Nachdem das Schiff in der großen Bucht vor der Stadt vor Anker gegangen war und die Passagiere in kleinen Booten an Land übergesetzt hatten, stand sie mit erhobenem Haupt am Pier und herrschte den erstbesten schwarzen Jungen an: »Du, Mohr! Komm her und trage meinen Schirm!«
Der Junge schaute Gesine mit seinen großen braunen Augen einen Moment verwundert an und rannte dann lachend davon.
Gesine war sichtlich erbost über dieses Verhalten. »Ich denke, die Mohren sind Diener?«
Thijs, der den Vorfall amüsiert beobachtet hatte, trat neben sie. »Mevrouw, die Schwarzen sind hier freie Menschen, und wenn jemand Ihren Schirm tragen soll, dann werden Sie dafür bezahlen müssen.«
»Bezahlen?« Gesine kreischte fast.
»Ja, Gesine, wie unsere Dienstboten zu Hause, die werden auch bezahlt«, konnte Wim sich nicht verkneifen zu sagen. Ein Blick in das Gesicht seiner Frau zeigte ihm, dass sie einer Ohnmacht nahe war. Wim spürte, wie Ärger in ihm aufwallte. Seufzend lenkte er jedoch ein. »Und nun komm, ich trage deinen Schirm. Wir müssen gehen.« Sie folgten dem hölzernen Pier, bis sie auf den Kai kamen, der zugleich die breite Hafenpromenade bildete.
Wim blickte sich irritiert um. Die Stadt erweckte den Anschein,man wäre in den Niederlanden, trotzdem mutete alles sehr befremdlich und exotisch an. Auf dem Kai ging es sehr belebt zu, Wim sah Menschen verschiedener Hautfarben, nur Weiße waren kaum darunter. Wim blickte sich suchend um.
»Holt deine Cousine euch nicht hier ab, Wim?«
»Doch, ich denke schon … wenn ihr nichts dazwischengekommen ist.« Und in diesem Moment, als er wirklich niemanden erblicken konnte, der auf ihn wartete, traf ihn die Angst mit voller Wucht, dass Juliette ihn wirklich zurückweisen würde. Vielleicht war es doch eine törichte Idee gewesen, auf Gutdünken in dieses völlig fremde Land zu kommen. Einen kurzen Moment drohten seine Knie weich zu werden, dann besann er sich. Jetzt war er hier, jetzt würde er diese Chance nutzen.
Thijs klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Gut, ich werde dann mal weiterziehen. Hier, Wim, ich habe dir meine vorläufige Adresse in der Stadt aufgeschrieben. Ich werde zunächst bei Bekannten meiner Eltern unterkommen. Meldet euch, falls ihr Hilfe braucht. Oder einfach so.« Thijs zwinkerte Wim
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