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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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von Inika natürlich nicht verborgen geblieben. Insbesondere nachts oder auch bei den seltenen Kontakten mit Männern, die handwerkliche Aufträge im Haus erfüllten, geriet das Mädchen außer sich. Erika erinnerte sich gut an einen Nachmittag vor wenigen Wochen, als das Mädchen im Garten des Hauses ein paar Bananen ernten sollte. Plötzlich hatte Inika hoch und schrill geschrien, Erika hatte den Wäschekorb sofort abgestellt und war zu ihr gelaufen. Sie schauderte jetzt noch, wenn sie an das Bild dachte, das sich ihr geboten hatte: Inika stand, hysterisch schreiend, vor den Büschen und zielte mit dem Schlagmesser für die Bananen auf den Nachbarn. Ihr Körper zitterte und bebte, und ihr Gesichtsausdruck war seltsam entrückt. Dem dunkelhäutigen Mann stand der Schreck im Gesicht geschrieben, schließlich hatte er, so hatte Erika anschließend herausgefunden, dem Mädchen nichts zuleidegetan, sondern war lediglich hinter den Büschen hervorgetreten, um sie zu grüßen. Erika war zutiefst erschüttert gewesen, hatte dem verschreckten Kind vorsichtig das Messer aus der Hand genommen und sie zum Haus zurückgeführt.
    »Inika, alles wird gut. Ich kann dir deine Erinnerungen nicht nehmen, aber ich kann dir sagen, dass sie mit der Zeit verblassen werden«, hatte sie mit ruhiger Stimme geflüstert, während sie mit der einen Hand über das Haar des Mädchens strich, das sich leise schluchzend an sie gelehnt hatte.
    Und Erika hoffte inständig, dass das wirklich geschehen würde. Sie selbst verzweifelte noch heute manchmal an den Schatten der Vergangenheit. Umso mehr beobachtete sie das indische Mädchen. Was auch immer Inikas Mann dem Kind angetan hatte, Erika war erleichtert, als sie im Verlauf der Zeit bemerkte, dass dies keine Schwangerschaft zur Folge gehabt hatte. Denn die Bürde einer Misshandlung zu tragen war eine Sache, ein Kind auf die Welt zu bringen, das aus einer solchen entstanden war, das war kaum zu ertragen.
    Das hatte sie am eigenen Leib erfahren müssen. Noch heute schwang jedes Mal, wenn sie ihre Tochter Hanni ansah, ein Gefühl der Verletztheit mit, und sie musste sich zusammenreißen, alleinig an das Kind und sein Wohl zu denken und nicht an die Umstände, unter denen es gezeugt worden war. Das Kind konnte nichts dafür. Erika hatte sich mehr als einmal dafür gescholten, stets nach Ähnlichkeiten zwischen Hanni und ihrem Erzeuger zu suchen. Aber sie konnte nicht anders und sie konnte dieses Mädchen auch nicht aus vollem Herzen lieben wie ihren Sohn. Sie hatte sich immer Mühe gegeben, ihrer Tochter trotzdem eine gute Mutter zu sein, aber die Kluft zwischen ihr und diesem Kind war allgegenwärtig. Hanni hatte sich trotzdem zu einem selbstbewussten Mädchen entwickelt, welches seiner Mutter aber weitestgehend aus dem Weg ging.
    Auch mit ihrem großen Bruder Reiner verband Hanni nichtviel. Vielleicht spürte sie, dass sie nicht den gleichen Vater hatten?
    Hanni hatte nie nach ihrem Vater gefragt. Erika hatte sie in dem Glauben gelassen, sie sei Reinhards Tochter, auch wenn die beiden sich nie kennengelernt hatten. Reinhard war nach dem Aufbruch von der Missionsstation zu lange fort gewesen, als dass er ihr Vater hätte sein können, und hatte nach dem Ausbruch der Leprakrankheit nicht von Batavia zurückkehren können. Dennoch hatte er von Hannis Existenz gewusst und sich bei Erikas Besuchen dort immer nach ihrem Wohlergehen erkundigt.
    Die Reisen zur Leprastation waren für Erika immer sehr anstrengend gewesen. Einzig Reiner hatte sie einmal mit dorthin genommen. Ein körperlicher Kontakt war undenkbar und sie hatte ihm nicht erlaubt, das Schiff zu verlassen, und so hatten Reinhard und sein Sohn in sicherem Abstand über das Ufer hinweg einige kostbare Stunden gemeinsam verbracht.
    Erika machte sich heute durchaus Sorgen um ihren Sohn. Reiner hatte sich mit der Zeit zu einem eigenbrötlerischen Jungen entwickelt, getrieben von einer starken Sehnsucht nach einem Leben im Buschland.
    Dabei konnte Erika Letztere in gewisser Weise sogar verstehen. Als Kleinkind hatte Reiner gemeinsam mit ihr einige glückliche Wochen bei den Oayanas, einem Eingeborenenstamm, im Regenwald verbracht, die ihn offensichtlich so geprägt hatten, dass er heute noch immer vom Wunsch getrieben war, dorthin zurückzukehren. Erika dachte mit Schaudern an die Zeit, die diesem Aufenthalt vorangegangen war. Sie hatte sich als Hausmädchen auf einer Plantage im Hinterland verdingt und dabei die dunkelsten Momente ihres Lebens

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