Die Blume von Surinam
neben Wim bestärkte ihr mulmiges Gefühl. Sie war klein, schmächtig und hatte etwas Katzenhaftes in ihren Augen. Julie fühlte sich sofort an ihre Stieftochter Martina erinnert. Sie trat einen Schritt vor und reichte Gesine die Hand.
»Herzlich willkommen in Surinam.« Die Frau erwiderte ihren Gruß nicht, sondern musterte Julie unablässig durchdringend. Julie fühlte sich äußerst unwohl und wandte sich wieder an Wim.
»Das ist mein Sohn Henry. Er freut sich sehr, dich zu treffen, wie du vielleicht schon bemerkt hast.«
Julie beobachtete amüsiert, wie Henry Wim ernst und fast schon ehrfürchtig die Hand zum Gruß reichte. Wim betrachtete ihren Sohn sichtlich verblüfft und neugierig. Abgesehen von der Geburt von Helena hatte er ja nicht wissen können, dass Julie eine Familie hatte. Julie hatte nach der Hochzeit mit Karl jeglichen Kontakt in die Niederlande abgebrochen. Plötzlich verspürte sie tiefe Reue. Sie hätte wenigstens Wim ab und zu einen Brief schreiben können.
»Es freut mich sehr, Henry«, sagte dieser jetzt ernst.
»Es … es freut mich, dich kennenzulernen.« Dann fehlten Henry auch schon wieder die Worte.
Sie sah seine Verlegenheit und beschloss, ihm aus der Patsche zu helfen. »Henry, kümmere dich bitte darum, dass das Gepäck zum Stadthaus gebracht wird.«
»Ja, Mutter.« Henry warf Wim einen verlegenen Blick zu, verließ dann die kleine Zusammenkunft und eilte zum Pier, wo die ersten Gepäckstücke von den kleinen Transportbooten geladen wurden.
»Kommt, wir nehmen die Droschke, ihr seid sicherlich erschöpft von der Reise. Henry wird sich darum kümmern, dass euer Gepäck zum Haus gebracht wird. Wir fahren zunächst für ein paar Tage ins Stadthaus, bevor wir uns dann auf den Weg nach Rozenburg machen.«
Während Gesine sich sofort wortlos in Richtung des Wagens begab, blieb Wim kurz neben Julie stehen. Sie bemerkte sein Zögern und warf ihm einen aufmunternden Blick zu.
»Es … ich hoffe, wir machen dir keine Umstände, Juliette. Es tut mir leid, dass wir so kurzfristig anreisen.« Er flüsterte fast.
Sein Gesichtsausdruck rührte Julie, und plötzlich war er wieder da, der kleine Junge, den sie so gerngehabt hatte.
»Mach dir keine Gedanken, Wim. Natürlich bleibt ihr bei uns! Wir haben ausreichend Platz, und ich freue mich, dich jetzt in meiner Nähe zu haben. Wir haben uns eine Menge zu erzählen.« Sie drückte ihm kurz den Arm.
Sein dankbarer Blick sprach Bände.
So still Wims Frau am Hafen gewesen war – sobald sie in der Kutsche Platz genommen hatten, plapperte sie ohne Unterlass, während sie sich mit ihrem Taschentuch Luft zuwedelte. »Ach, ich freue mich ja so, ist die Plantage groß? Wann genau werden wir dort hinfahren? Ach schau, ein Theater gibt es hier auch … aber diese Hitze.«
Wim war dies sichtlich unangenehm, und Julie bemühte sich, Gesines Monolog hin und wieder mit einem freundlichen Kopfnicken zu beantworten. Sie war bereits jetzt gespannt auf das Zusammentreffen von Gesine und Jean. Frauen, die unentwegt redeten, waren ihrem Mann ein Graus, das wusste sie. Aber er hatte diesen Besuch befürwortet, dann würde er sich auch ein bisschen um die Gäste kümmern müssen. Auch um diesen zusätzlichen Gast. Wim und Jean würden sich gut verstehen, daran hegte Julie keinen Zweifel, aber Gesine und Jean … Julie schmunzelte.
Dabei hatte er sie schon nur widerwillig in die Stadt begleitet. »Ach, Julie, eigentlich muss ich auf die Felder. Es müssen noch drei Parzellen Stecklinge gesetzt werden«, wollte er die Arbeit als Argument vorschieben. Aber Julie wusste genau, dass dies nicht der einzige Grund war. Jean mochte die Menschenmengen in der Stadt nicht, und gesellschaftliche Verpflichtungen waren ihm zuwider. Trotzdem hatte er sich seinem Schicksal gefügt. Julie hatte ihn lächelnd betrachtet. Natürlich hatte die Sache auch für ihn ein Gutes, denn dort würde er Henry und Martin wiedersehen. Und das wusste er ganz genau.
Als die Droschke sich schließlich dem Stadthaus näherte, erblickte Julie auf der schmalen Veranda das Empfangskomitee, bestehend aus Jean mit Helena auf dem Arm, Martin, Kiri und Karini. Kaum kam die Droschke im Schatten der Palmen zum Stehen, trat Jean an den Wagen. Helena gab ein fröhliches Quietschen von sich und wedelte mit ihren Ärmchen. Julie bemerkte Jeans kurzen, verblüfften Blick auf Gesine, bevor er die Gäste standesgemäß willkommen hieß: »Wim, und ähm, deine Frau, nehme ich an, es freut mich
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