Die Blume von Surinam
auszureden, aber …«
»Ist schon gut, Henry. Es war zu erwarten, dass es Martin zu seinem Vater zieht«, hatte Julie ihn beschwichtigt, auch wenn es sie durchaus schmerzte.
Aber die beiden waren jetzt junge Männer und mussten ihren eigenen Weg finden. Julie wusste, dass sie diese Entwicklungen nicht aufhalten konnte und durfte. Und wenn dies bei Martin bedeutete, dass er bei seinem Vater glücklich war, so sollte dies wohl so sein. Julie hatte sich dennoch vorgenommen, ihm noch einmal ins Gewissen zu reden, seine Pläne zu überdenken. Sie hatte vor allem Angst, gestand sie sich ein, dass Martin nicht selbstbestimmt, sondern von Pieter beeinflusst handelte. Nicht auszudenken, wenn sich Martin von Pieters Ansichten anstecken ließ … Ansätze dazu hatte er ja bereits mehrfach gezeigt, allein wie er Karini manchmal behandelte, gab ihr zu denken. War es Pieter tatsächlich gelungen, Martin schon als Kleinkind zu prägen? Julie hatte sich immer Mühe gegeben, aus Martin einen anständigen Jungen zu machen, und nun fürchtete sie insgeheim, dass Pieter ihre Bemühungen zunichtemachen könnte.
Thijs Marwijks Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Da kommt es, da kommt es«, rief er und schlug Wim auf die Schulter. Und richtig: In der Mitte des Flusses tauchten nun hinter dem dichten Ufergrün einer Biegung erst ein Mast und dann der Bug des Transportseglers auf.
Langsam schob er sich noch ein Stück den Surinamfluss herauf und ankerte schließlich in der Mitte des Flusses. Der Kapitän konnte das Schiff aufgrund der zahlreichen Sandbänke nicht weiter zum Ufer hinsteuern. Am Schiffsheck waren zahlreiche Flöße vertäut, die nun von schwarzen Arbeitern, die mit kleinen Booten um das große Schiff herumruderten, gelöst und in Position gebracht wurden. Marwijk, Wim, Henry und Jean ruderten ebenfalls zum Segler hinüber, während die Frauen das Schauspiel vom Ufer aus beobachteten.
Das Abladen zog sich in die Länge. Julie wollte gerade vorschlagen, sich auf die schattige Veranda zurückzuziehen, als sich ein kleines Boot vom Segler in Richtung Ufer schob. Julie kniff die Augen zusammen und erspähte darin eine weibliche Person, die mit einem Taschentuch winkte.
»Erika!« Julie übergab Helena an Karini, raffte ihren Rock und stürmte auf den Anleger.
»Was machst du denn hier?« Julie nahm ihre Freundin herzlich in Empfang.
Erika lachte freudig und ließ sich von Julie aus dem kleinen Ruderboot helfen. »Ich habe deinem Cousin doch versprochen, dass ich ihn auf Watervreede besuche«, sagte sie lachend. »DieDampfmaschine hat in der Stadt für so viel Aufsehen gesorgt, dass ich sie gar nicht verpassen konnte.« Atemlos erklomm sie gemeinsam mit Julie das Ufer. »Als ich dann Martin traf, dachte ich mir, ich könnte doch einfach mitfahren. Immerhin erlebt man das nicht alle Tage.«
»Ach Erika«, Julie umarmte ihre Freundin, sie freute sich wirklich. »Es ist schön, dich wohlauf zu sehen.«
»Oh, Mevrouw Bergmann, sehr angenehm.« Gesines Begrüßung fiel dagegen etwas kühler aus.
Julie bemerkte in Gesines Blick etwas Abschätzendes, das sie nicht recht einordnen konnte. Stand Gesine Erika jetzt etwa skeptisch gegenüber? Auf Rozenburg waren sie doch auch miteinander ausgekommen.
Erika begrüßte Gesine gewohnt freundlich und zeigte dann hinüber zum Schiff. »Das Entladen wird noch dauern«, erklärte sie. »Man muss erst die Flöße ausrichten, Leittaue zum Ufer spannen, die Flöße daran befestigen und dann die Teile der Dampfmaschine umladen.«
Julie lachte. »Du hast dich ja zu einer echten Fachfrau in Transportdingen weitergebildet.«
»Na ja«, Erika senkte leicht beschämt den Blick. »Die Fahrt war lang, und Pieter hat es mir ausführlich erklärt.«
»Pieter …« Julie versuchte, sich zu beherrschen. Auf ihn hätte sie gut und gerne verzichten können.
Kapitel 3
W ims Aufregung stieg, je mehr er sich mit Jean und Thijs im Ruderboot dem Schiff näherte. Als ihr Boot anlegte, traute er seinen Augen nicht: Gerade half Pieter Erika auf ein weiteres Ruderboot vom Schiff hinunter. Wim freute sich sehr und rief nach ihr. Sie winkte ihm stürmisch entgegen und lachte: »Ich habe es Ihnen doch versprochen, Wim!«
Thijs stieß ihn mit dem Ellenbogen an und grinste. Wim seufzte beschämt, er konnte sich vorstellen, was Thijs dachte. Er mochte Erika Bergmann sehr gerne, aber nicht auf diese Art. Trotzdem freute er sich wirklich, dass sie ihr Versprechen gehalten hatte und ihn nun auf Watervreede
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