Die Blume von Surinam
etwas Mitleidiges.
Als Karini von Watervreede zurückkam, freute sich Inika ein wenig. Karini hatte nichts von Inikas wochenlangem Kampf zurück in das Leben mitbekommen, und selbst wenn, dann zeigte sie es nicht. Sie behandelte Inika nicht anders als sonst und schien selbst über eigenen Problemen zu brüten. Oft verrichteten die beiden Mädchen ihre Tätigkeiten im Haus und in der Küche gemeinsam, aber schweigend.
Bogo hingegen zog es trotz allem zu seinen Landsleuten. Inika ließ ihn gewähren, er war lange allein unter Schwarzen und Weißen gewesen und genoss es jetzt sichtlich, im Kreis der Inder verweilen zu können. Im Gegensatz zu Inika nahmen sie ihn in ihrer Mitte auf. Masra Jean hatte ihn mit zu den Arbeitern auf die Felder geschickt, und Inika war es ganz recht, dass er die meiste Zeit nicht da war.
Je mehr sie sich erholte, desto stärker wuchs in ihr auch der Wunsch, etwas an ihrer Lage zu ändern. Irgendwann würde ihr keine Schonfrist mehr gewährt werden, das wusste sie. Aber eine Zukunft als Arbeiterin auf der Plantage, das wollte sie nicht. In der Stadt allerdings war die Lage auch nicht aussichtsreicher. Der einzige Ausweg schien ihr momentan zu sein, sich möglichst bei der Misi anstellig zu zeigen.
Inika begann, sich vermehrt im Haus einzubringen. Die Misi sollte sehen, dass sie trotz allem ein fleißiges Mädchen und durchaus dankbar war, dass man ihr geholfen hatte.
»Lass mich das machen«, sagte sie immer häufiger zu Kiri, Liv oder Karini, wenn es darum ging, Essen zu servieren oder Getränke zu bringen. Die Misi lächelte sie dann immer wohlwollend an. »Danke, Inika, das machst du sehr gut.« Das Lob der Misi streichelte Inikas Seele.
Nur Karini zeigte sich manchmal ungehalten über Inikas neu erwachtes Interesse an häuslichen Tätigkeiten. Sie wurde insbesondere garstig, wenn Inika Masra Henry bediente. Inika war egal, was die anderen über sie dachten. Sie würde alles versuchen, um aus dem Sumpf der Arbeiterschaft herauszukommen. Je mehr sich ihre Stellung verbesserte, desto geringer würde die Gefahr, dass ihr noch jemals jemand in ihrem Leben Leid antun würde.
Kapitel 9
K arini war beruhigt, dass sich die Wogen auf Rozenburg geglättet hatten. Acht Monate waren seit ihrer Rückkehr von Watervreede vergangen. Masra Henry hatte sich mit seiner Mutter versöhnt. Karini war ihm dankbar, dass er ihr eines Abends von den damaligen Geschehnissen berichtet hatte. Dass ihre eigene Mutter von den Vorfällen damals ebenfalls betroffen gewesen war, zudem in diesem Ausmaß, machte sie noch immer traurig. Dennoch sah sie seitdem die Beziehung ihrer Mutter zu Misi Juliette mit anderen Augen. Dass die beiden weit mehr verband als das Dienstverhältnis, hatte sie lange geahnt, Karini erinnerte sich an den einen oder anderen Blick, den die beiden ausgetauscht hatten, an beredtes Schweigen, an plötzlich verstummende Gespräche. Aber einen solchen Grund für diese durchaus unübliche Vertrautheit zwischen Herrin und Bediensteter hätte sie sich niemals träumen lassen. Karini hatte lange darüber nachgedacht, sich aber nicht getraut, Kiri darauf anzusprechen. Alles, was sie wusste, hatte sie von Masra Henry erfahren, und auch wenn sie ihrer Mutter gerne gesagt hätte, was sie empfand, beließ sie es dabei.
In Anbetracht der familiären Spannungen und der Vorfälle um Inika schien im Übrigen auch den anderen daran gelegen, kein weiteres Übel heraufzubeschwören. Auf Rozenburg bemühte sich jeder um einen geregelten Alltag und ging unbeirrt seiner Arbeit nach. Augenscheinlich brachte diese Kontinuität den Frieden zurück.
Masra Jean und Masra Henry hatten viel auf den Feldern zutun. Während ihrer Abwesenheit hatten sich die Aufseher gut um die Plantage gekümmert, seit ihrer Rückkehr aber hatten umfassendere Arbeiten angestanden. Die Pflanzung wurde nochmals erweitert, und in Kürze standen die ersten größeren Transporte an die Zuckerrohrmühle auf Watervreede an. Beide Plantagen hatten in der Tat die Instandsetzung des Landweges vorangetrieben, um den Transport möglichst einfach zu gestalten. Aus dem ehemaligen Sklavenpfad wurde eine breite Fahrspur für die Ochsenkarren.
Misi Juliette kümmerte sich um die kleine Misi Helena und Kiri und Liv um den Haushalt. Für Karini blieb nicht viel zu tun, und so verbrachte sie ihre Zeit mit Masra Henry, wenn dieser einmal frei hatte oder nicht anderweitig abgelenkt wurde. Und diese Ablenkung ging von Inika aus.
Inika. Karini wusste selbst
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