Die Blume von Surinam
Arbeitssklaven von der Plantage fortgelaufen waren. Pieter hatte sie mit seinen Medikamenten behandelt, und da einige das … nicht gut vertrugen … bekamen die anderen es mit der Angst und wollten zum Medizinmann der Maroons. Karl war darüber sehr wütend, und noch am Fluss kam es zu einem Handgemenge. Er ist erst mit dem Gürtel auf den Dorfvorsteher losgegangen. Ich … ich bin dazwischengegangen, und da … da schlug er mich. Kiri wollte mir zu Hilfe eilen, aber auch sie wurde von ihm getroffen. Er war völlig außer sich, rasend vor Wut und schlug wieder und wieder zu. Ich«, Julie musste schlucken, »ich habe dann … da lag ein Ruder und … es war Notwehr, was hätte ich denn machen sollen … ich wollte ihn nicht umbringen. Das müsst ihr mir glauben! Kiri war schwer verletzt … ich hatte doch nur Angst.« Julie senkte den Blick. Sie schämte sich der Tränen nicht, die über ihre Wangen kullerten.
Einen Moment lang herrschte vollkommene Stille. Dann trat Jean an sie heran und nahm sie liebevoll in den Arm.
»Julie … ach, Julie … ich glaube dir ja, trotzdem hättest du mir … uns das eher erzählen sollen.«
Henry saß schweigend in einem der Sessel und knetete seine Hände.
Julie war Jean für seine Geste und für seine Worte dankbar. Sie betrachtete ihn liebevoll und löste sich dann aus seiner Umarmung. Noch war nicht alles gesagt. »Pieter war damals auf derPlantage, als es geschah, und hat gleich nach Karl gesehen. Ich«, ihre Stimme brach, »ich konnte Martina und Pieter doch nicht sagen, dass … also habe ich gesagt, es wäre ein Unfall gewesen. Ich hatte Angst. Angst davor, dich, Henry, zu verlieren, und Angst, dass man mich ins Gefängnis steckte. Pieter hat offiziell bestätigt, dass es ein Unfall war. Aber so, wie er mir damals gegenübergetreten ist, wusste er, dass das nicht stimmte, und er hat es seitdem gegen mich verwandt. Er hat mich erpresst, hat mir immer gedroht, dass, wenn ich ihm nicht Rozenburg überlassen würde, mein Kind ohne Mutter aufwachsen müsse.«
Jean schnaubte wütend und stemmte die Arme in die Hüften. Er sah besorgt aus. »Das ist nicht gut …«
Henry sprang von seinem Platz. »Aber das ist doch Jahre her, da wird heute doch niemand mehr …«
Jean trat an ihn heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nein, Henry, das ist leider etwas, was vermutlich nicht verjährt, und leider könnte es sein, dass Pieter es wieder hervorholt. Wer weiß schon, was in diesem Mann vorgeht. Wir müssen also wachsam sein.«
Der Blick, mit dem Jean jetzt Julie bedachte, sagte noch mehr. Julie wusste, was er meinte: Sie mussten achtgeben, dass Pieter in Bezug auf Henry nicht offiziell Karls Vaterschaft anzweifelte. Denn, das wussten sie beide, Pieter war sehr genau im Bilde darüber, dass Henry nicht Karls Sohn sein konnte. Julie lag es schwer im Magen, ihrem Sohn nicht die volle Wahrheit sagen zu können. Denn würde herauskommen, dass Henry nicht Karls leiblicher Sohn war, dann müsste das Erbe von Rozenburg neu verhandelt werden. Julie hatte Gänsehaut. Pieter hatte immer noch einige Trümpfe im Ärmel, und wenn er versuchen würde, diese auszuspielen, dann kämen stürmische und schwere Zeiten auf sie zu.
Jean nahm seinen Sohn und Julie in den Arm. »Alles wird gut, was auch immer passiert. Wir müssen zusammenhalten.«
Kapitel 8
I nikas Wunden waren verheilt, doch in ihrer Seele klaffte ein dunkles schwarzes Loch. Sie konnte sich nicht mehr an alles erinnern, was im Wald geschehen war. Die Fesseln, der Geruch nach Alkohol, alles andere war nur noch ein zäher Nebel in ihrem Kopf, und sie spürte, dass es besser für sie wäre, wenn sie nicht versuchen würde, sich an das zu erinnern, was in diesem Nebel lag. Ihr Körper sprach eine deutliche Sprache: Sie hatte Schlimmes erleiden müssen. Es quälte sie die Frage, wer schuld an diesem schlimmen Erlebnis war. Sie selbst, weil sie damals geflohen war? Die Inder und Aufseher, weil sie es nicht geschafft hatten, Baramadir zu stellen? Oder gar Misi Juliette und der Masra … oder vielleicht sogar Misi Erika, weil sie krank geworden war? Sosehr sie auch darüber nachdachte, kam sie immer zu demselben Schluss: Letztendlich war sie selbst es gewesen, die entschieden hatte, nach Rozenburg zurückzukehren.
Inika zog sich mehr und mehr zurück, sie konnte die wissenden Blicke der übrigen Plantagenbewohner nicht ertragen. Bei den Indern lag zudem immer noch etwas Vorwurfsvolles darin, bei den Herrschaften
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