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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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registrierte sie, dass er tatsächlich Anstalten machte, ihrem Befehl zu folgen. Er zuckte die Schultern, dann nickte er kurz. »Wenn Sie meinen, Mevrouw«, sagte er gelangweilt und wandte sich zum Gehen. Julie war erleichtert, traute ihm aber nicht. Sie blickte zu Jean, der sie kurz ansah, nickte und Renzler dann nach draußen folgte. Julie wusste, dass Jean sich von dem Mann nicht umstimmen lassen würde. Er würde erst zurückkommen, wenn ein Arzt gerufen war.
    Julie wandte sich um, schob sich zwischen die eng beisammenstehenden Feldbetten und nahm die Hand der kranken Frau in ihre.
    »Wir werden Ihnen jetzt helfen, haben Sie keine Sorge«, flüsterte sie und versuchte, ihrer Stimme einen möglichst beruhigenden Tonfall zu geben.
    Der Mann der Frau bedachte Julie mit einem dankbaren Blick, während er sich auf die andere Seite des Bettes kauerte und seiner Frau liebevoll über die Wange strich. In einem leisen, wohlklingenden Singsang sprach er auf sie ein, und ihre Atmung schien sich für einen Moment zu beruhigen. Flatternd öffnete sie ihre Augenlider und sah ihren Mann an. Dann hauchte sie ein einziges Wort. Julie hatte es nicht richtig verstanden, aber es klang wie ein Name. Inika.

Kapitel 5
    I nika saß zusammengekauert neben dem Jungen, mit dem sie im letzten Boot das große Schiff verlassen hatte. Der Junge starrte seit einer Ewigkeit still auf den Boden vor sich. Er war etwa zwei Jahre älter als Inika, die sich nicht erinnern konnte, ihn auf dem Schiff gesehen zu haben.
    Inika hatte zunächst geschrien, dann geweint und gefleht. Sie wollte zu ihren Eltern, aber keiner der Männer schien sie zu verstehen oder erweckte auch nur den Anschein, ihr helfen zu wollen. Wie lange sie jetzt hier schon am Rande des Hafens saß, wusste sie nicht. Ihre Kehle war trocken, ihr Hals war rau und ihr Kopf tat weh. Es war so schrecklich heiß, und sie hatte Durst. Inika hatte keine Energie mehr, sie fühlte sich unendlich müde. Der bullige Mann hatte sie hier abgesetzt und ihnen bedeutet, sich nicht wegzubewegen. Seine Gesten waren unmissverständlich gewesen.
    Als rechts von ihr jetzt eine Stimme ertönte, schreckte sie hoch. War sie eingeschlafen? Verwirrt schaute sie sich um. Neben ihr stand eine weiße Frau und hielt ihr die Hand hin. Inika verstand nicht, was die Frau sagte, aber sie hatte ein freundliches Gesicht und sprach leise und aufmunternd. Vielleicht würde sie Inika zu ihren Eltern bringen! Inika sprang auf die Füße und redete auf die Frau ein, dass sie ganz dringend nach ihnen suche. Die Frau schien sie nicht zu verstehen, nickte aber und nahm Inika bei der Hand. Inika zögerte kurz, dann aber fiel ihr Blick auf den bulligen Mann, der das Geschehen aus einigen Metern Entfernung beobachtete. Sie hatte Angst vor ihm, da ging sie lieber mit der Frau.
    »Sie hätten mir auch eher Bescheid geben können, dass hier zwei Kinder warten.« Erika Bergmann funkelte den Hafenvorsteher mit schmalen Augen noch einmal böse an. »Wie lange sitzen die beiden hier schon in der Hitze? Seit heute Mittag?«
    »Jetzt sind sie doch in guten Händen, und so klein sind die Bälger schließlich auch nicht mehr.« Der Mann schien unbeeindruckt, er wirkte eher ungeduldig. Vermutlich wollte er diese beiden letzten Passagiere so schnell wie möglich loswerden, um endlich seinen Feierabend in der Hafenkneipe einläuten zu können.
    Aber Erika ließ noch nicht locker. »Was ist denn mit den Kindern? Haben sie keine Eltern?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, auf dem Schiff schienen sie zu niemandem zu gehören, ich schätze … Na ja, Mevrouw … es gab schon einige … Verluste auf der Überfahrt. Wahrscheinlich … tut mir leid.«
    Erika war fassungslos. »Verluste? Es tut Ihnen leid? Es ist aber doch schon merkwürdig, dass der Mannschaft erst jetzt aufgefallen ist, dass es zwei Waisen an Bord gibt.« Erika schnaubte wütend und schüttelte den Kopf.
    Sie hatte schon gehört, in welchem Zustand die Passagiere der Lalla Rookh heute bei ihrer Ankunft im Hafen gewesen waren. Die armen Kinder, was mussten sie in den vergangenen Wochen erlebt haben! Sie schenkte dem Hafenvorsteher einen letzten, strafenden Blick, dann wandte sie sich ab und widmete sich ihren beiden neuen Schützlingen. »Dann kommt mal mit, ich werde euch jetzt helfen.« Die beiden schauten sie aus großen braunen Augen an, ließen sich aber bereitwillig von ihr fortführen. Als sie in die Droschke steigen sollten, zögerten sie kurz. Erika dünkte es,

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