Die Blume von Surinam
dunkelhäutigen Frau mit lautem Protest und wilden Gesten klarzumachen, dass sie ihren Sari unter keinen Umständen ausziehen würde.
Nach dem Essen hatte die Frau die beiden auf eine Veranda hinter dem Haus geführt, auf der ein Waschzuber stand. Inzwischen hatten sich einige andere Kinder eingefunden, welche die Neuankömmlinge und das Schauspiel, das sich nun bot, aus sicherer Entfernung neugierig beäugten. Inikas Begleiter hatte sich schnell aus seiner Wickelhose befreit und saß bereits im Wasser.
Inika wünschte sich auch nichts sehnlicher, als sich endlich den Gestank vom Körper zu waschen, so viele Wochen hatte sie das nicht mehr getan. Aber unter keinen Umständen wollte sie sich ausziehen. Nicht, weil sie sich genierte, sondern weil sie Angsthatte, man würde das kleine Säckchen in ihrem Unterkleid finden und es ihr gar fortnehmen.
Die weiße Frau, die sie vom Hafen abgeholt hatte, trat hinzu und wechselte einige unverständliche Sätze mit der anderen, bevor sie die Veranda eilig verließ. Diese nickte dann, gab dem Jungen ein Zeichen, aus dem Wasser zu steigen, reichte ihm ein Tuch zum Abtrocknen und bedeutete ihm, ins Haus zu gehen. Dann rief sie den neugierigen Kindern, die durch die Holzbalustrade der Veranda lugten, ein paar Sätze zu. Die Kinder verschwanden sofort.
Die Frau wandte sich wieder Inika zu, sprach ruhig zu ihr und zeigte auf ein paar saubere Tücher neben der Wanne und auf ein buntes Kleid, das über einem Stuhl hing. Dann deutete sie auf den Waschzuber, wieder auf Inika, nochmals auf sich und abschließend auf die Tür. Inika verstand nicht. Aber die Frau verschwand ebenfalls im Haus, und Inika stand allein auf der Veranda. Erleichtert seufzte sie auf und zog sich schnell ihren verschmutzen Sari aus. Das Säckchen behielt sie fest in der linken Hand, während sie in den Zuber kletterte und sich hastig wusch.
Gerade als sie das saubere Kleid angezogen hatte, das sich ähnlich wickeln ließ wie ihr Sari, und das Säckchen wieder sicher an ihrem Leib verschnürt hatte, trat die weiße Frau aus der Tür und lächelte.
Kapitel 6
J ulie fühlte sich müde und erschöpft, als sie am Abend wieder im Stadthaus eintrafen. Sie hatten so lange im Lager der indischen Arbeiter ausgeharrt, bis der Arzt schließlich eingetroffen war und gleich fünfzig schwerere Krankheitsfälle in die Krankenstation überwiesen hatte. Darunter auch die junge Frau, deren Hand Julie gehalten hatte.
»Das sieht mir verdächtig nach Ruhr aus«, hatte der Mediziner bemerkt und im selben Atemzug eine zweiwöchige Quarantäne über das Lagerhaus verhängt.
Renzler hatte sich darüber sehr aufgeregt, sah er doch vermutlich seine Geschäfte zunächst stillgelegt. »Das können Sie nicht machen! Sehen Sie doch, die meisten sind gesund und munter.«
Der Arzt aber schenkte ihm keine Beachtung und ordnete sofort alle notwendigen Maßnahmen an.
Julie war froh, dass ausgerechnet sie und Jean Renzlers Einladung zur Besichtigung der Kontraktarbeiter als Erste gefolgt waren. Andere Plantagenbesitzer hätten diese Leute womöglich, ohne mit der Wimper zu zucken, auf ihre Plantagen transportieren und dort auch sofort arbeiten lassen. Nun, nach der Rückkehr ins Stadthaus, regte sich Julie immer noch darüber auf. Beide wuschen sich zunächst gründlich, wie der Arzt es ihnen geraten hatte.
»Stell dir mal vor, diese Menschen wären so auf die Plantagen gebracht worden! Nicht auszudenken! Sie hätten eine Epidemie über das ganze Land bringen können.«
»Jetzt wird ihnen ja erst einmal geholfen.« Jean bedachte seine Frau mit einem liebevollen Blick, während er sich die Arme mit Wasser und Seife abschrubbte. Sie hatten sich umgezogen und Kiri ihre Kleidung zum Waschen gegeben. Julie hatte dennoch das Gefühl, die faulige Luft hafte noch an ihr, und betupfte sich ein zweites Mal mit Blütenwasser.
»Ich hoffe, ich hoffe«, sagte sie leise und bat im Stillen darum, dass der Arzt sich nicht doch noch von Renzler umstimmen ließ.
Julie und Jean hatten sich gerade erschöpft im Salon des Stadthauses gesetzt und von Kiri dankend zwei Gläser mit kühlem Saft entgegengenommen, als aus der oberen Etage lautes Geschrei ertönte und Türen knallten. Julie zuckte zusammen und stellte abrupt ihr Glas auf den Tisch.
»Was ist denn da los?« Sie stand auf und ging durch die Tür zur Eingangshalle. An der Treppe traf sie auf Kiri, die ebenfalls auf dem Weg nach oben war, aber nur mit den Achseln zuckte. In diesem Moment kam Karini
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