Die Blume von Surinam
Gefühlen nach Watervreede gefahren, die letzte Begegnung mit Pieter hing ihr noch nach.
»Hier geht es jetzt um die Zukunft von Rozenburg, und letztendlich liegt sie nicht in Pieters Hand, sondern in unserer und der von Thijs«, hatte Jean sie wieder und wieder beschworen.
Julie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte, ohne die Zuckerrohrmühle auf Watervreede würde es zukünftig auf Rozenburg nicht gehen. Pieter hatte es anscheinend geschafft, noch weitere Plantagen flussaufwärts von den Vorteilen dieser Art der Zuckerrohrverarbeitung zu überzeugen, und so waren regelrechte Flößergemeinschaften geplant, die die dampfbetriebene Mühle beliefern sollten. Um konkurrenzfähig zu bleiben, musste Rozenburg in Kooperation mit Watervreede treten. Einen Vorteil hatten sie immerhin: Sie waren die Einzigen mit einer direkten Landverbindung.
Pieter allerdings hatte sich den ganzen Abend von ihr ferngehalten und sich im Lob der anderen Männer gesonnt. Julie hatte sich daher heute nicht viele Gedanken um ihn machen müssen. Ganz anders verhielt es sich mit den anderen Anwesenden und dem offensichtlichen Beziehungsgeflecht. Martin hatte es bereitsangedeutet, aber nun war es Julie mit eigenen Augen gewahr geworden: Erika und Wim schienen einander sehr zugetan. Gesine hingegen hing förmlich an Pieters Lippen, und auch Thijs Marwijk und Sarina tauschten zu vertraute Blicke aus, als dass Julie noch glauben konnte, dass Sarina hier nur die Haushälterin war. Nun, das war Marwijks Angelegenheit, er wusste sicher, was er tat. Aber die Sache zwischen Erika und ihrem Cousin … Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Leider hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, mit Erika unter vier Augen zu sprechen. Sie nahm sich fest vor, es am nächsten Tag nachzuholen.
Am nächsten Morgen aber wurde sie zunächst von Martin aufgehalten.
»Juliette, auf ein Wort bitte.« Die etwas harsche Anrede und der befehlende Ton, den Martin anschlug, ließ sie kurz zusammenzucken. Sie rief nach Inika und überließ ihr Helena, dann folgte sie Martin neugierig in den Salon. Hier auf Watervreede war er unverkennbar der Sohn von Pieter. Vergessen schienen die letzten beschaulichen Tage auf Rozenburg, wo es Julie fast angemutet hatte, alles wäre wieder wie früher.
»Juliette, ich möchte, dass Karini hier bei mir bleibt.« Martin kam sofort zur Sache, er schien einiges von seinem Vater gelernt zu haben. Er sprach, als gäbe es an seinem Willen nichts zu rütteln.
Julie war überrascht, spürte aber vor allem eine leichte Wut ob dieser Art. »Martin, das kann ich nicht entscheiden.« Sie mühte sich um einen ruhigen Tonfall, sie wollte keinen Streit. »Das muss letztendlich Karini selbst wissen, und sie muss die Erlaubnis ihrer Eltern einholen.«
Martin jedoch schienen ihre Argumente nicht zu beeindrucken. »Sie gehört zu Rozenburg, natürlich kannst du das entscheiden.«
»Nein. Du weißt genau, dass die Dinge heute anders geregelt sind. Sie gehört nicht zu Rozenburg. Sie arbeitet auf Rozenburg.«
Martin zögerte kurz. Dann schlug er einen etwas versöhnlicheren Ton an. »Ja. Es ist nur so, dass ich … dass wir hier für … uns eine gute Zukunft sehen.«
»Uns?« Juliette war verblüfft. Dann aber musste sie lächeln. Daher wehte also der Wind. Für einen kurzen Moment war sie versucht, ihm Glück zu wünschen, doch dann kam ihr ein Gedanke. Flüchtig erst, doch dann mit voller Wucht. Der dunkle Schatten der Vergangenheit schob sich über Julies Geist. Martin und Karini … da gab es ein Problem. Aber wie sollte sie ihm das klarmachen?
»Martin, ich denke … ich muss dir etwas sagen.« Sie hatte gehofft, dies nie zur Sprache bringen zu müssen, aber angesichts der neuen Entwicklungen blieb ihr keine Wahl. Es wäre vielmehr unverantwortlich, Martin darüber im Unklaren zu lassen. Martin musste es wissen, bevor …
Martin sah sie fragend an. Es war der gleiche Blick, den er früher als Kind immer gehabt hatte, wenn er nach seinen Eltern gefragt hatte. Eine Mischung aus Neugier, Trauer und … Trotz.
»Martin, was ich dir jetzt erzähle, das weiß nicht einmal Karini selbst«, begann Julie zögerlich. »Ich möchte auch nicht, dass du ihr etwas verrätst, denn letztendlich ist dies Sache ihrer Eltern. Ich habe vor langer Zeit versprochen, mich nicht einzumischen. Also behalte es bitte für dich und vor allem überlege gut, was dies für eure Zukunft bedeuten könnte.« Julie musste den Blick senken, sie konnte Martin nicht
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