Die Blume von Surinam
in die Augen sehen. Dann holte sie tief Luft. »Martin, deine Mutter und Karinis Vater … sind Halbgeschwister. «
»Was?« Martin sprang auf.
Im gleichen Moment stürmte Karini mit wütendem Gesicht in den Raum. Sie stockte kurz, als sie Julie sah. Dann fing sie sich aber, reckte den Kopf in die Höhe und sagte: »Misi Juliette, auchwenn meine Mutter dagegen ist, dass ich hierbleibe, werde ich es tun.« Karini hatte also zeitgleich das Gespräch mit ihrer Mutter gesucht. Diese hatte ihre Zustimmung aber offensichtlich verweigert, ohne den Mut zu finden, Karini über die Umstände aufzuklären. Julie hoffte jetzt, dass Martin mit seinem Wissen verantwortungsvoll umgehen würde.
Inika beaufsichtigte die kleine Misi Helena, seit Masra Martin Misi Juliette um ein Gespräch gebeten hatte. Inika war mit dem kleinen blonden Mädchen in den Garten gegangen und beobachtete mit ihr gerade ein paar große blaue Schmetterlinge auf den üppigen Blumen, als Masra Henry zu ihnen trat.
»Hallo, Inika. Hallo, kleine Prinzessin.« Lachend hob er seine kleine Schwester auf den Arm, die ihn mit fröhlichen »Heny!«-Rufen empfing. »Wo stecken denn alle?«
»Ich glaube im Haus, Masra«, antwortete Inika knapp.
Masra Henry schien das als Erklärung zu genügen. »Ach, ist es nicht herrlich? Jetzt werden die Zeiten auf Rozenburg sich ändern. Meine Eltern, ich, Karini, du … wir werden alle bessere Tage erleben.« Er schien geradezu euphorisch.
Inika sah ihre Chance gekommen. »Nun, Karini scheint ihre Zukunft ja eher hier auf Watervreede zu planen«, sagte sie in belanglosem Ton. Innerlich war sie aber doch sehr gespannt, wie Masra Henry auf diese Nachricht reagieren würde.
»Wie meinst du das?« Masra Henry setzte seine kleine Schwester ab und blickte Inika fragend an.
»Oh … meine Mutter erwähnte nur, dass Masra Martin plant, Karini hier auf der Plantage zu behalten«, log Inika.
Masra Henry schien ehrlich entsetzt. »Martin will was? Das sieht ihm ähnlich!« Wütend ging er in Richtung Plantagenhaus. Inika lächelte zufrieden. Für sie würde vieles leichter werden auf Rozenburg, wenn Karini hierblieb und Masra Henry ganz allein wäre … er würde ihre Gesellschaft suchen.
Henry stürmte derweil wütend ins Haus. Es war ihm unbegreiflich, dass ihn sein Bruder so offensichtlich hintergangen hatte. Hinter seinem Rücken waren also Dinge passiert, von denen er nichts geahnt hatte. Martin und Karini? Als Dienstmädchen würde Martin Karini wohl kaum engagieren wollen …
Als Henry ins Haus kam, hörte er Stimmen aus dem Salon. Eine gehörte unverkennbar Karini. »Misi Juliette, auch wenn meine Mutter dagegen ist, dass ich hier bleibe, werde ich es tun«, sagte sie. Henry kannte sie gut genug, um herauszuhören, dass sie sehr aufgebracht war.
Dann sprach Martin: »Juliette, ich denke, es ist richtig, wenn Karini bei mir bleibt.« Bei mir bleibt. Martins Worte hallten in Henrys Kopf wider, und er wäre am liebsten in den Raum gestürmt. Wie hatte er nur so blind sein können? Wie hatte er nicht bemerken können, dass die beiden ihre Zukunft gemeinsam planten? Der schmerzhafte Stich in seiner Brust verriet ihm nur allzu deutlich, dass es ihm keinesfalls gleichgültig war. Er mochte Karini mehr als eine Schwester, das hatte er sich nicht zuletzt in den vergangenen Monaten eingestehen müssen. Aber er hatte sich nie getraut, es ihr zu sagen. Jetzt war ihm Martin anscheinend zuvorgekommen. Mit gesenktem Blick und hängenden Schultern verließ Henry das Haus. Er würde wohl ewig der Zweite bleiben.
Kapitel 16
J ulie stand auf der Veranda von Watervreede und blickte zum Fluss. Diese Plantage bringt nur Unruhe, dachte sie bei sich. Jeder Aufenthalt in diesem Haus hatte ihr zuletzt nur Unglück und familiären Ärger beschert. Auch das Gespräch mit Martin und Karini heute hatte nicht sonderlich erfreulich geendet. Karini wollte um jeden Preis auf Watervreede bleiben und war nicht gewillt, sich mit ihrer Mutter auszusprechen oder gar zu versöhnen. Martin war nach Julies Offenbarung zwar etwas zurückhaltender gewesen, hatte aber weiter gefordert, dass Karini blieb. Auch Kiri würde sich damit abfinden müssen. Ihre Tochter schlug nun ihren eigenen Weg ein.
»Juliette, ich habe dich gesucht.« Es war Erika, die nun aus dem Haus kam. »Lass uns ein Stück gehen, wir hatten ja noch gar keine Zeit füreinander.« Erika hakte sich bei Juliette ein und führte sie von der Veranda herunter. Bereits nach wenigen Metern
Weitere Kostenlose Bücher