Die Blume von Surinam
gefährlich, solange sie nicht genau wussten, was auf Watervreede passierte. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Wenn … wenn sie und Martin Halbgeschwister waren … wenn Martin das gewusst hatte … sie schauderte. Martin war um keinen Deut besser als sein Vater.
Wenige Stunden später saß Karini bereits in einem Boot in Richtung Paramaribo.
»Geh zu Misi Erika«, hatte ihre Mutter ihr aufgetragen. »Die Misi wird dir helfen. Du bleibst in der Stadt.«
Kapitel 24
D as Fieber sank, aber noch hatte Sarina die Augen nicht wieder aufgeschlagen.
Es war bereits später Abend. Während die Misi sich um den kranken Masra kümmerte, versorgten Inika und Bogo Sarina. Sie wechselten sich ab, ihrer Mutter kalte Umschläge zu machen. Bogo lag jetzt auf der Matte neben Sarinas Bett und schlief, und Inika saß auf der Bettkante und betrachtete ihre Mutter. Wie schön sie doch war! Kurz blitzten Erinnerungen aus ihrer Kindheit auf. Ihre Mutter hatte mit ihr an der Hand getanzt, aber das war lange her. Wären sie doch nie in dieses Land gekommen …
Plötzlich sah Inika im Mondlicht, dass die Augen ihrer Mutter sich ein kleines bisschen öffneten. »Inika?«, hauchte ihre zarte Stimme.
»Ja, ich bin hier, Mutter.«
»Ich habe großen Durst.«
»Ich hole dir Wasser, warte …« Inika freute sich sehr, dass ihre Mutter endlich wieder bei Bewusstsein war. Sie stieg über den schlafenden Bogo und streckte sich nach dem Krug. Er war leer. Inika fluchte leise. Sie würde Wasser holen müssen. Sie eilte aus dem Haus, über den Hof zum Küchenhaus mit den Fässern.
Gerade als sie im Dunkeln eine kleine Kalebasse mit Wasser abgefüllt hatte, trat ein Schatten in die Tür.
»Wo haben diese verdammten Negerweiber nur den Dram versteckt …« Masra Pieter war sichtlich betrunken.
»Ah, wie nett …«, er hatte sie offensichtlich bemerkt und kamschwankend auf sie zu. »Was machst du hier, willst du was stehlen? Ihr seid doch alle gleich … ich hab gesehen, wie du dem Bastardsohn von Juliette schöne Augen gemacht hast … na, darf ich vielleicht auch mal? Ein indisches Mädchen hatte ich noch nicht.« Masra Pieter packte sie an den Haaren und zog sie zurück zum Arbeitstisch. »Mädchen, du solltest gefügig sein, deine Misi Juliette und ihre ganze Bagage wird es demnächst nicht mehr geben, bettelarm werden sie dastehen. Erlogen haben sie sich die Plantage, erlogen! Ja, da staunst du … Sie hat meinen Schwiegervater erschlagen damals, das feine Weib, nachdem sie ihm das Kind dieses Taugenichts Riard untergeschoben hat. Aber hier brechen bald andere Zeiten an, ich werde Herr über alles sein … also komm her … zier dich nicht so … du wirst dich daran gewöhnen …«, lallte er. Er bedrängte sie jetzt körperlich so stark, dass ihr fast die Luft wegblieb.
In Inika wallte Panik hoch. Sie kannte diesen Griff, so hatte Baramadir sie immer … sie versuchte, sich am Tisch festzuhalten, aber er packte noch fester zu. »Na, ob ihr kleinen Inderinnen genauso nett seid wie die Negermädchen?« Er drückte ihren Kopf auf die Tischplatte und riss ihren Sari hoch. Von hinten beugte er sich über sie. Inika würgte, als er brutal in sie eindrang. Und dann kamen die Erinnerungen, viele alte und böse Erinnerungen. Sie fühlte sich wie gelähmt, unfähig, einen Muskel zu rühren, während die Bilder durch ihren Kopf rasten.
Als er keuchend zum Ende kam, fiel die Kalebasse mit Wasser um. Das Wasser ergoss sich in einer Lache über den Tisch und floss langsam gegen ihr Gesicht. Inika war erstaunt, wie kühl es sich anfühlte. Sie ließ ihre Finger in Richtung der Pfütze wandern und wie in Trance langsam durch das Wasser fahren. Wie weich es war! Plötzlich stießen ihre Finger gegen etwas Hartes. Ein Messer! Inika war mit einem Schlag hellwach, die Bilder in ihrem Kopf verschwanden. Die Angst schlug um in Wut, in ihrem Körper war nichts als glühender Zorn. Sie spürte seinen schweren Körperauf ihrem Rücken und zugleich den Schaft des Messers in ihrer Hand. Nie wieder würde sie ein Mann grob anfassen, das hatte sie sich geschworen! Sie umklammerte das Messer und spürte, dass er von ihr abließ, hörte, wie er seinen Gürtel schloss … Inika wirbelte herum und stieß zu. Masra Pieter gab einen überraschten Laut von sich und taumelte. Er wankte rückwärts, und es gab einen dumpfen Aufschlag, als er rücklings auf die Getreidesäcke an der Wand fiel. Inika verharrte einen Moment schwer atmend und zwang sich zur
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