Die Blume von Surinam
Stimme zu hören. »Ich werde noch heute eine Nachricht an meinen Vater aufsetzen, der alle nötigen Anweisungen treffen wird. Und …«, ihre Augen wurden schmal, »er wird nicht erfreut sein über dein Verhalten, Wim. Du solltest ihm besser eine Weile nicht unter die Augen treten. Aber«, fügte sie mit einem Blick auf Misi Erika schnippisch hinzu, »das wird ja vermutlich auch nicht der Fall sein.«
Masra Wim räusperte sich. »Gesine, es tut mir aufrichtig leid. Aber unabhängig von den Entwicklungen, die uns beide betreffen, habe ich tatsächlich Angst um dich, man weiß schließlich nicht … was Pieter Brick noch einfällt. Vielleicht ist es wirklich das Beste, wenn du in die Niederlande zurückkehrst. Ich kann gerne am Hafen nachfragen, wann ein Schiff geht«, sagte er ruhig.
Misi Gesine schien dieses freundliche Angebot jedoch zu missfallen. »Ach, du kannst mich wohl nicht schnell genug loswerden«, stieß sie mit einem Seitenblick auf Misi Erika hervor. »Aber gut, es ist nach all dem, was geschehen ist, wirklich nicht zu viel verlangt, wenn du dich nach einem Schiff erkundigst. Und du könntest dafür sorgen, dass mir beizeiten mein restliches Hab und Gut von Watervreede nachgeschickt wird.«
»Selbstverständlich. Wir werden auf dem Rückweg am Hafen anhalten.«
Die Misi schenkte Masra Wim einen kalten Blick.
Masra Wim kam recht schnell von der Hafenmeisterei zurück. »Wir sollten noch einmal bei Gesine vorbeifahren. Ein Schiff geht gleich übermorgen, in aller Frühe, das nächste erst in ungefähr zwölf Wochen. Entweder muss sie sich eilen oder lange warten.«
Eine Stunde später war beschlossen, dass Misi Gesine bereits in weniger als zwei Tagen das Land verlassen würde.
Kapitel 2
H enry hatte in der Nacht kein Auge zugetan.
Am Abend zuvor, als die Sonne bereits tief stand, hatte er lange mit Martin am Fluss gesessen und geredet. Martin war vollkommen verstört. Die Taten seines Vaters ließen keinen Zweifel an seinem Charakter, und es war Martin schwergefallen, das Bild von seinem Vater, das er über so viele Jahre aufrechterhalten hatte, zusammenfallen zu sehen. Henry war nicht minder entsetzt. Weitaus mehr aber belastete sie beide Kiris und Karinis Schicksal. Kiri war ihnen eine stetige Begleiterin gewesen, und dass sie solche Qualen hatte erleiden müssen, lastete schwer auf der Seele der Jungen. Es fiel ihnen nicht leicht, mit dem Wissen um Karinis Herkunft und den Geschehnissen des Tages umzugehen.
»Unvorstellbar, dass er das getan hat. Die arme Kiri, was hat sie alles erleiden müssen.« Henry hatte nervös ein Stück Erde in seiner Hand geknetet.
»Und ich hätte fast … meine Güte, stell dir mal vor, wenn wir das erst später erfahren hätten!« Martin hatte das Gesicht verzogen. »Ich habe wirklich versucht, meinen Vater kennenzulernen und etwas Gutes an ihm zu finden. Ich habe mich jahrelang über Tante Juliette geärgert, weil sie ihn in meinen Augen immer schlechtgeredet hat. Aber jetzt … ich möchte mit diesem Mann nichts mehr zu tun haben.« Martin hatte den Kopf gehoben und ihm fest in die Augen geblickt. »Wirklich, Henry. Es ist mir sehr peinlich, dass ich so blind gewesen bin.«
Henry hatte seine Hand auf die Schulter seines Ziehbrudersgelegt und den Blick erwidert. »Egal was passiert, wir halten zusammen, ja?«
Martin hatte genickt und gelächelt. Henry hatte gespürt, dass Martin etwas sagen wollte, ihn aber nicht bedrängt. »Was … was machen wir mit Karini, sie muss es doch auch erfahren. Und ich …«, hatte er schließlich gesagt, »ich glaube nicht, dass ich es ihr sagen kann.«
»Ja, sie muss es wissen, das sind wir ihr schuldig. Ich mache das.«
Martin hatte ihm einen dankbaren Blick zugeworfen. Bis lange nach Sonnenuntergang hatten sie noch nebeneinandergesessen und stumm auf den Fluss geschaut.
Henry schlief nicht in dieser Nacht. Noch vor Sonnenaufgang schlich er aus dem Haus und sattelte sein Pferd. Die kühle Morgenluft weckte seine Lebensgeister. Er musste zu Karini, er hatte schon zu viele Chancen vertan und das, was er ihr nun zu sagen hatte, lag schwer auf seinem Herzen. Und er brauchte ein bisschen Zeit für sich. Binnen eines Tages hatten sich so viele Dinge verändert, dass er noch nicht recht wusste, wie seine Zukunft damit aussehen mochte. Hier auf Watervreede würde man auch ohne ihn auskommen.
Er ritt langsam, schonte sein Pferd, das sich noch nicht vollständig vom scharfen Ritt erholt hatte und zeitweise sogar lahmte. So
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