Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
Vom Netzwerk:
wirklich keine Antwort, sie hoffte aber inständig, dass Pieter nie zurückkehren würde.
    »Du hast es ihm also wirklich endlich erzählt?« Jean schien zufrieden zu sein und betrachtete sie mit einem zärtlichen Blick. »Er ist jetzt auch wirklich alt genug, um die Wahrheit zu erfahren.«
    »Na ja, ein paar Dinge habe ich natürlich ausgelassen.« Julie nahm einen kräftigen Schluck Dram aus ihrem Glas und lehnte sich dann auf dem Stuhl zurück. Der Schnaps tat ihr gut, obwohl es ganz gegen ihre Gewohnheit war, Alkohol zu trinken.
    Sie saßen auf der hinteren Veranda des Stadthauses. Die vordere war zu schmal, um dort zu verweilen, und bot auch nicht die Ruhe, wie hier hinter dem Haus. Eigentlich war die hintere Veranda früher ausschließlich den Sklaven als Arbeitsplatz bestimmt gewesen, sie diente Kiri noch heute als Erweiterung der Küchenräume, die sich am anschließenden Hof in einer Hütte befanden. Aber Julie nahm die Aufteilung der Wohn- und Wirtschaftsbereiche nicht so genau, außerdem waren ihr die Ruhe und die Stille wichtiger als die strenge Trennung zwischen Schwarz und Weiß. Hier spielten die Kinder, hier traf man sich, und weder Julie noch Jean störte es, wenn Kiri mit Töpfen und Pfannen hantierte. Nur die Türen, die benutzten alle aus Gewohnheit noch wie damals: Vorne sowie hinten am Haus gab es jeweils zwei Eingangstüren, von denen früher die eine einzig den Weißen bestimmt war, die Sklaven durften nur die für sie vorgesehene benutzen. Julie hatte das schon immer für umständlich gehalten und hätte nichts dagegen gehabt, wenn Kiri die gleichen Türen wie sie benutzte. Kiri aber weigerte sich immer noch strikt, durch die Türen der Weißen zu treten, und hatte auch ihrer Tochter eingeschärft, dass sich das nicht gehörte.
    Der kräftige Zuckerrohrschnaps brannte in Julies Kehle und sorgte schnell für ein warmes und entspannendes Gefühl im Bauch. »Natürlich habe ich versucht, Pieter nicht schlechtzureden. Martin soll ja nicht denken, dass sein Vater ein Monster ist.«
    »Ja, ist ja schon gut. Von mir erfährt er nichts. Ich befürchte sowieso, dass wir uns eines Tages wieder mit ihm beschäftigenmüssen«, fügte er dann nachdenklich hinzu, bevor er sein Glas Dram mit einem einzigen Schluck leerte.
    Derweil saßen die Jungen in Martins Zimmer zusammen um das Modellboot herum. Der Streit war schon fast wieder vergessen, denn auch wenn er dieses Mal heftiger gewesen war als sonst, so kannten sie sich lange genug, um zu wissen, dass sie besser zusammenhielten. Martin und Henry waren sich so nahe wie Brüder, da war ein Streit meist schnell beigelegt. Doch Martin war heute stiller als sonst. Nachdenklich setzte er die letzten runden Holzplättchen an den Bug des Schiffes, wo sie als Bullaugen dienten.
    »Eines Tages«, sagte er plötzlich, »eines Tages werde ich mit so einem Schiff nach Europa reisen. In die Niederlande. Und da, da werde ich bei meinem richtigen Vater leben.«

Kapitel 8
    W as möchte die Frau denn? Gibt es hier niemanden, der ihre Sprache spricht?« Julie hielt der jungen Inderin, die ohne Unterlass auf sie einredete, beruhigend die Hand, verstand aber nichts von dem, was die Frau ihr mitteilen wollte.
    Julie war mit Jean zur Krankenstation gefahren, wo die Kontraktarbeiter untergebracht waren, die noch zu schwach waren, um zu ihren endgültigen Bestimmungsorten aufzubrechen. Das Gros der Menschen aus dem Fort hatte man bereits zu den Plantagen gebracht. Auch Julie und Jean hatten insgesamt achtundvierzig neue Arbeiter angestellt. Zwei von ihnen befanden sich noch hier auf der Krankenstation, die anderen im Fort – Julie bestand darauf, dass sie alle gleichzeitig auf Rozenburg ankamen. Sie hatte ein gutes Verhältnis zu ihren Arbeitern, und ihr war bewusst, dass es für die alteingesessenen ehemaligen Plantagensklaven nicht leicht sein würde, plötzlich mit den indischen Arbeitern konfrontiert zu werden.
    »Jean, wir müssen bei der Ankunft dabei sein, wir können sie nicht einfach so unvorbereitet dort ankommen lassen. Sie können die wenigen Tage noch im Fort bleiben und das Schiff besteigen, wenn wir auch zurück zur Plantage reisen.«
    Jean hatte ihr zugestimmt.
    Nun stand die Abreise unmittelbar bevor, und Julie wollte sich noch einmal selbst davon überzeugen, dass es der Frau mit dem orangefarbenen Sari inzwischen besser ging und sie auch transportfähig war. Die Frau schien in der Tat genesen, was ihr der Arzt nach der Untersuchung auch bestätigt hatte, war

Weitere Kostenlose Bücher