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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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zu behandeln.
    »Nichts!« Martin stand auf und ging zum Fenster.
    Julie erhob sich ebenfalls und stemmte die Hände in die Hüften. »Warum streitet ihr über so etwas? Es gibt doch nun wirklich keinen Grund …«
    »Doch!« Martin drehte sich heftig zu ihr um. Die Wut stand ihm förmlich im Gesicht geschrieben. Julie fiel auf, dass sich auf Martins Kinn ein leichter Bartflaum zeigte. War es schon so lange her, dass sie ihn sich genau angesehen hatte? Als er fortfuhr, zwang sie ihre Gedanken zurück zum Thema.
    »Henry lässt sich von Karini helfen und …«
    »Was und? Das macht doch nichts, oder?«
    »Doch, es ist unser Schulprojekt! Unser , der weißen Schule. Damit hat Karini nichts zu tun.«
    »Ja, aber was ist so schlimm daran, wenn Henry und Karini das zusammen machen?« Julie war erschüttert, jetzt wirklich aus Martins Mund zu hören, dass der Grund für seine Wut tatsächlich in der Hautfarbe lag. Aber es kam noch schlimmer.
    »Karini ist ein Negermädchen. Neger dürfen sowas nicht!«, gab Martin zutiefst überzeugt von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Julie erstarrte. In diesem Moment erinnerte Martin sie so sehr an seinen Vater, der nie anders als in genau diesem Ton von den Schwarzen gesprochen hatte.
    »Ach, sonst habt ihr doch auch immer mit Karini gespielt, warum ist das denn plötzlich anders?« Es gelang ihr nicht, den aufkeimenden Ärger zu unterdrücken. Julie hatte ehrlich keine Ahnung, was diesen für sie plötzlichen Sinneswandel bei Martin bewirkt haben könnte.
    »Ja, das war einmal.«
    Julie meinte, in seinem Blick kühle Berechnung auszumachen.
    »Aber ich spiele nicht mehr mit Negern, ich bin auch schon ein bisschen alt zum Spielen, wie dir vielleicht aufgefallen ist.« Seine Stimme hatte einen spitzen Unterton. »Das ist ein ernst zu nehmendes Projekt, es ist die Abschlussarbeit für dieses Jahr. Wenn in der Schule jemand erfährt, dass an Henrys Modell ein Neger mitgearbeitet hat, was macht das denn für einen Eindruck? Ermacht sich doch lächerlich!« Und fügte dann in einem altklugen Ton hinzu: »Weiße sollen nicht mit Negern Umgang pflegen.«
    Julie war schockiert. »Was für ein Unsinn! Wer sagt denn so etwas?«
    »Lehrer Grevender«, lautete Martins knappe Antwort, begleitet von einem trotzigen Nicken.
    Jetzt stieg die Wut in Julie. Die Mehrheit der Weißen betrachtete die Schwarzen immer noch geringschätzig, aber sie hatte gehofft, dass zumindest in der Schule inzwischen etwas aufgeklärter mit dem Thema umgegangen wurde. Henry, Martin und Karini waren auf der Plantage wie Geschwister zusammen aufgewachsen, und Julie hatte immer versucht, den Jungen zu vermitteln, dass die schwarzen Menschen waren wie sie. Sie bemühte sich um einen ruhigen Tonfall.
    »Also, ich finde, Lehrer Grevender ist im Unrecht. Du weißt genau, dass Karini nicht dumm ist, und geschadet haben euch die Schwarzen bisher auch nicht. Ich finde, du solltest dich bei Karini entschuldigen.«
    »Nein, werde ich nicht.« Martin drehte sich hastig wieder zum Fenster um.
    »Doch, das wirst du, junger Mann.« Julie erhob eigentlich nie die Stimme gegen die Jungen, aber diese Ansichten und diese Widerspenstigkeit brachten sie durcheinander. Als er nicht reagierte, ging sie zu ihm, packte ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich um. »Doch, du gehst, und zwar jetzt sofort. Ich möchte nicht, dass unter meinem Dach gestritten wird, schon gar nicht über solche Dinge.«
    Martin wand sich aus ihrem Griff. »Du hast mir gar nichts zu sagen, du bist nicht mal meine Mutter«, zischte er und stürzte aus dem Zimmer.
    Julie blieb verdattert stehen. So hatte Martin noch nie zu ihr gesprochen. Er war zwar immer der wildere der beiden Jungen gewesen, aber noch nie hatte er sich so gegen sie aufgelehnt. Kurzüberlegte sie, ihm nachzulaufen, aber dann entschied sie sich anders. Es war wohl besser, wenn er sich erst einmal wieder beruhigte. Nachdenklich betrat sie noch einmal Henrys Zimmer. Jean und Henry saßen gemeinsam um das Kirchenmodell und versuchten, den beschädigten Turm zu richten. Jean blickte kurz auf, als Julie zu ihnen trat.
    »Alles in Ordnung?«
    Julie zuckte mit den Achseln und wuschelte Henry kurz mit der Hand durch den blonden Haarschopf. Dann sagte sie leise: »Ich weiß nicht …«

Kapitel 7
    W arum sagt mir niemand, was damals wirklich passiert ist?« Martin starrte Julie herausfordernd an.
    Julie rang nach Worten. Sie hatte die drei jungen Leute nach dem Streit am Abend zuvor nun nochmals

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