Die Blume von Surinam
Männern. Kannst du dazu etwas sagen?«
Sarina wischte sich verlegen mit einem Tuch die Hände ab. »Misi Juliette, ich weiß nicht …« Sie senkte den Blick.
Julie hatte befürchtet, dass das Gespräch nicht ganz einfach werden würde und gab sich Mühe, eine gewisse Strenge in ihre Stimme zu legen. »Doch, du weißt es, und du wirst es mir jetzt sagen. Wir können keine Unruhe im Dorf gebrauchen.« Forsches Auftreten war eigentlich nicht Julies Art, aber hier bedurfte es klarer Worte. Es brodelte hinter ihrem Rücken auf ihrer eigenen Plantage, und ob Schwarzer, Weißer oder Inder – ein friedliches Miteinander war das Wichtigste. So hatten sie es immer gehalten, und so sollte es auch weiterhin bleiben. Umso mehr verärgerte sie jetzt Sarinas ausweichende Antwort.
»Misi Juliette, ich denke, das ist Sache unter den Männern.«
»Himmel, Sarina!« Julie traute ihren Ohren nicht. Sie sprang vom Stuhl auf und hob vorwurfsvoll die Hände. »Es hilft uns allen nicht, wenn selbst du mir verschweigst, was bei deinen Leuten los ist. Die Männer reden nicht mit Jean, und wenn du jetzt auch noch ausweichst … Wir wollen doch nur helfen!«
Ihr ungewollt barscher Ton zeigte offensichtlich Wirkung. Sarina blickte betroffen auf ihre nackten Füße.
»Es ist nur, Misi, die Männer … sie streiten sich um die Heirat. Das muss so, ist schon richtig.«
Julie war verblüfft. Sie hatte sich viele Gründe für die Streitigkeiten ausdenken können, aber … dass es um Frauen ging? Sie bemühte sich um einen versöhnlicheren Tonfall. »Du meinst also, sie streiten sich um die Frauen? Aber sind denn nicht alle eure Frauen verheiratet?«
Sarina nickte, schüttelte aber sogleich auch den Kopf.
»Misi, eine Frau noch nicht verheiratet, da nicht viele Frauen da, die Männer streiten, wer darf heiraten diese Frau nächstes Jahr.«
»Gut, du meinst also, diese Unruhe gibt sich bald wieder?«
Sarina nickte nachdrücklich.
»Sarina, ich verlasse mich auf deine Aussage. Noch mehr Ärger im Dorf wird Jean nicht tolerieren. Richte deinen Leuten bitte aus, dass sie diese Hochzeitssache schnell regeln sollen.«
»Ja, Misi Juliette, ich werde es den Männern sagen. Darf ich gehen, Misi?«
Julie nickte, und Sarina eilte sofort davon.
Nicht nur Julie, sondern auch Kiri, die sofort wieder auf die Veranda trat, blickte ihr nachdenklich hinterher.
»Misi Juliette?« Kiri trat nun mit besorgter Miene neben Julie. »Sarina macht in den letzten Tagen einen verstörten Eindruck. Sie ist unaufmerksam bei der Arbeit.«
Kiris Sorge rührte Julie. Sie warf ihr einen liebevollen Blick zu. »Ja, ich weiß, ich habe es auch schon bemerkt. Aber vielleicht liegt das an dem Vorfall mit Inika und dem Jaguar. Na ja, und wenn es dann noch Streitigkeiten zwischen den eigenen Leuten gibt …« Julie seufzte und zuckte die Achseln. »Ich möchte sie noch nicht tadeln, geben wir ihr ein paar Tage Zeit.«
Kiri nickte und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Scheppernd stapelte sie einige Töpfe auf dem Arbeitstisch, der als Erweiterung der Kochstelle auf der Veranda diente.
Julie setzte sich und beobachtete Kiri. Kurz fühlte sie sich zurückversetzt in ihre erste Zeit hier auf der Plantage. Oft hatte sie sich hierher auf die hintere Veranda geflüchtet, in das Reich der damaligen Haushälterin Amru. Sie war in diesem Haus immer Julies einzige Stütze gewesen. Dass Amrus langjährige Tätigkeit in diesem Haus ein solch dramatisches Ende genommen hatte, schmerzte Julie bis heute. Ihr Blick wanderte hinüber zu dem großen Seidenwollbaum in der Nähe der Zuckermühle, dessen Wipfel über dem Dach des Gästehauses gerade noch zu erkennen war. Würde er nicht dem Vorplatz der Mühle Schatten spenden, hätte Julie ihn längst fällen lassen. Dieser Baum wareinmal der Ort gewesen, an dem die Sklaven bestraft worden waren.
So hatte Kiri, auf Anweisung von Martina, einst hier gestanden, um ausgepeitscht zu werden, ebenso wie unzählige andere Menschen, die an diesem Baum jahrzehntelang unsägliche Qualen ausgestanden hatten. Und hier war Amrus Mann zu Tode gekommen. Pieter hatte ihn des Verrats bezichtigt und ihn grauenhaft foltern lassen. Amru hatte bis zu seinem Tode bei ihm ausgeharrt und war daran zerbrochen wie auch daran, dass die Familie … ihre Familie, der sie seit Jahren diente, deren Amme sie gewesen war, deren Kinder sie großgezogen hatte … dass diese Familie ihr schließlich den Mann genommen hatte.
Julie scheuchte verbissen die dunklen
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