Die Blume von Surinam
sie sich sicher, selbst wenn es dadurch Unruhe unter den indischen Männern geben würde.
»Das mag ja sein – aber wir haben dem noch nicht zugestimmt. Sag am besten nichts zu Kadir, ich werde erst mit Jean reden.«
Sarina nickte untergeben.
Nachdrücklich wiederholte Julie: »Du sagst kein Wort zu Kadir, bevor ich nicht mit Jean gesprochen habe, hörst du!« Mit diesen Worten raffte sie ihr Kleid und machte sich auf den Weg in Richtung Stall. Kiri, die auf der hinteren Veranda Gemüse putzte, warf ihr einen verwunderten Blick zu, und Julie rief ihr kurz zu, sie sei auf dem Weg zu Jean in die Felder. Sie war sich sicher, dass sie jetzt gleich mit Jean reden musste, die Situation duldete keinen Aufschub. Neben die Angst um Inika trat die Sorge um Sarina. Wer wusste schon, was Kadir mit Sarina machen würde, wenn er erfuhr, dass Sarina mit ihr gesprochen hatte? Julie musste sich eingestehen, dass sie die indischen Männer unterschätzt hatte. Jean würde mit ihnen reden und sie zur Vernunft bringen müssen. Sie konnte sich gut vorstellen, dass diese älteren, allein gereisten indischen Männer sich nach einem zarten Geschöpf wie Inika die Finger leckten. Da waren Männer, egal welcher Hautfarbe, oftmals leider alle gleich. Oft genug hatte Julie erleben müssen, dassältere weiße Herren sich kleine schwarze Dienstmädchen hielten. Es war ein offenes Geheimnis, dass diese Mädchen ihrem Herrn nicht nur am Tisch zu Diensten waren. Julie würde nicht zulassen, dass auf ihrer Plantage einem kleinen Mädchen ein ähnliches Schicksal drohte.
Wütend sattelte und zäumte sie ihre Stute. Fina war von dieser Handlung am Nachmittag sichtlich überrascht, ihre Reitzeit lag doch in den frühen Morgenstunden, auch wenn Julie in den letzten Wochen häufig darauf verzichtet hatte, weil ihr unwohl war. Das Tier tänzelte nervös, als Julie es in Richtung der Zuckerrohrfelder lenkte. Julie trieb die Stute dennoch unerbittlich an. Sie hatte keine Ahnung, wo Jean gerade die Arbeiter beaufsichtigte, die Felder waren groß, und das Zuckerrohr stand so hoch, dass sie es vom Pferd kaum überblicken konnte. Ihr blieb also nichts anderes übrig, als immer und immer wieder die Querwege abzureiten, in der Hoffnung, die Arbeiter irgendwo zu erspähen.
Als sie einen der Wege bis an den Wald abgeritten war, wurde Fina zunehmend nervös. Das Tier schwitzte inzwischen, schaumige Flocken flogen aus seinem Maul. Es war eigentlich viel zu heiß, um hier zwischen den Feldern herumzuirren.
Plötzlich spitzte die Stute die Ohren. Julie dachte zuerst, Fina hätte vielleicht Jeans Pferd gewittert. Im gleichen Moment aber gab die Stute ein erschrockenes Prusten von sich und richtete sich auf die Hinterbeine auf. Julie hörte noch ein leises Fauchen, als sie vom Rücken ihres Pferdes rutschte. Selbst der Griff zu Finas Mähne konnte ihr nicht helfen, sie verlor das Gleichgewicht und stürzte nach hinten. Schlagartig wurde es dunkel um sie.
Kapitel 8
W enn wir wieder in der Stadt sind, werde ich herausfinden, wo mein Vater in den Niederlanden ist, und ihm einen Brief schreiben«, sagte Masra Martin entschlossen und starrte auf den Fluss.
Karini blickte Inika und Masra Henry, die neben ihr unter dem großen Mangobaum am Ufer saßen, kurz an. Ihr war aufgefallen, dass Masra Martin immer öfter von seinem Vater sprach. Sie verstand nicht ganz, warum. Immerhin hatte dieser Vater ihn vor fünfzehn Jahren hier in Surinam zurückgelassen, da war Masra Martin gerade erst zwei Jahre alt gewesen. Seine Erinnerungen an ihn waren, wenn überhaupt, vermutlich nur spärlich. Trotzdem sprach er manchmal von seinem Vater, als wäre er ihm vertraut.
Karini wusste ebenso gut wie Masra Henry, dass es besser war, nicht weiter auf das Thema einzugehen. Masra Martin wurde dann meistens böse. Inika hingegen schien dies noch nicht verstanden zu haben.
»Warum ist dein Vater eigentlich nicht in Surinam?«, fragte sie jetzt. Masra Henrys warnenden Blick schien sie nicht zu bemerken.
Masra Martins Augen wurden schmal, als er Inika fixierte. »Weil Leute wie du … und wie sie«, er deutete auf Karini, »ihn damals verleugnet haben.«
Nicht schon wieder! Karinis Magen zog sich vor Wut zusammen.
»Ach, Martin, nun hör doch auf, Karini und Inika könnendoch wirklich nichts dafür«, nahm Masra Henry die beiden Mädchen gleich in Schutz.
Karini war ihm dankbar für seinen Einsatz, wusste aber auch, dass das Thema sehr heikel war. Und wenn Masra Martin sich jetzt erst in
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