Die Blume von Surinam
Zeiten trotzen, dennoch würden sie wohl noch einige Jahre kämpfen müssen, bis ihre Existenz nachhaltig gesichert war. Wenn ihnen dies überhaupt jemals gelang.
Julie hatte sich nach dem Essen gerade zu einer kleinen Pause in die kühleren Wände des Salons zurückgezogen, als Sarina in die Tür trat.
»Misi Juliette?«
Julie winkte sie herein, eigentlich war sie müde und hatte gehofft, hier eine Stunde Ruhe zu finden. Aber Sarina würde sie nicht stören, wenn es nicht dringlich wäre, also gewährte Julie ihr den Moment.
Sarina schien unruhig, sie knetete unablässig ihre Finger. »Misi Juliette, ich möchte fragen, ob wir für Hochzeit im Januar von den Händlern am Fluss dürfen Stoffe kaufen. Für Braut, Kleid … Misi weiß schon.«
»Natürlich, Sarina, warum solltet ihr das nicht dürfen?«
Etwas in Sarinas Blick verriet Julie, dass die Frau ihr mehr als diese banale Frage mitteilen wollte.
»Danke Misi, wir … als Eltern von Braut müssen uns darum kümmern, dass …«
Julie war mit einem Schlag hellwach. »Ihr? Als Eltern der Braut?« Sie sprang von ihrem Sessel hoch, und es gelang ihr nur mit Mühe, den Schwindel, der sie sofort befiel, zu beherrschen. Sie war schockiert in Anbetracht dessen, was Sarina ihr gerade gesagt hatte. »Sarina, ihr wollt doch nicht Inika verheiraten, sie … sie ist doch noch ein Kind!«
Sarina starrte auf ihre Füße und nestelte an ihrem Sari herum. »Misi Juliette, mein Mann Kadir sagt, Inika ist alt genug.«
»Sie ist doch gerade mal höchstens dreizehn!«
»Vierzehn«, hauchte Sarina. »Meine Tochter ist vierzehn.«
Julie war entsetzt. »Sarina, das werden wir nicht erlauben.«
Sarina zuckte resigniert die Achseln. »Misi Juliette, Kadir sagt, weil unsere Tochter nicht heiratet wie Christ, sondern wie Hindu, kann auch niemand verbieten die Hochzeit.«
»Ja, aber ihr seid Arbeiter auf unserer Plantage, und wir haben sehr wohl ein Recht darauf zu bestimmen, wer wen heiraten darf.« Julie hörte selbst, dass sie sehr laut geworden war. Sie wusste auch, dass das Gesagte so nicht mehr stimmte, doch sie konnte auf keinen Fall erlauben, dass das Mädchen verheiratet wurde. Julie betrachtete Sarina nachdenklich, der ihre Not deutlich anzusehen war. Sie war sich fast sicher, dass auch sie nicht mit der Entscheidung ihres Mannes einverstanden war, allein die Art, wie sie seinen Namen betont hatte, verhieß nichts Gutes. Aber die Frau schien nicht in der Lage zu sein, sich gegen ihren Mann aufzulehnen. Auch das konnte sie nachvollziehen, und es versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Auch sie hatte einst lange nicht den Mut gehabt, sich gegen Karl zu wehren.
»Sarina, das geht nicht, wir können euch doch nicht das Kind verheiraten lassen. Wer soll überhaupt der Mann sein?«, fragte sie sanft.
Sarina hob nun den Kopf und in ihrem Blick lag tiefe Verzweiflung.
»Wer ist es?«
»Baramadir …«
»Der ist doch dreißig Jahre älter als Inika!«, entfuhr es Julie entsetzt. Obwohl sie sich manchmal schwertat, die indischen Arbeiter auseinanderzuhalten oder gar bei ihren komplizierten Namen zu nennen, so war ihr Baramadir, der Mann mit dem unverkennbaren blauen Turban, durchaus ein Begriff. War Kadir ehrgeizig und stets bemüht, sich strebsam in der Arbeitergruppe hervorzutun, so war Baramadir Kadirs hartnäckiger Widersacher. Stets fiel er durch seine grobschlächtige und ungehobelte Art auf und zeigte auch gegenüber Jean wenig Respekt. Julie wunderte sich, dass gerade diese beiden Männer sich einig waren, und ahnte, dass es schwierig werden würde, sie von ihren Plänen abzubringen. Sie schauderte. Dieser grobe und brutal anmutende Mann, gebunden an Inikas Seite …
»Sarina!« Julie packte ihre indische Arbeiterin bei den Schultern. »Du willst doch nicht wirklich deine Tochter mit diesem Mann verheiraten!«
Sarina schaute Julie mit gequältem Blick an. »Was soll ich machen, die Männer haben so entschieden.« Eine dicke Träne kullerte über ihre Wange. Julie lockerte ihren Griff und widerstand nur schwer dem Drang, diese Frau in den Arm zu nehmen. Und sie fasste einen Entschluss: Diese Hochzeit musste verhindert werden! Am liebsten wäre sie sofort selbst zu Kadir gegangen, aber sie wusste, dass das zu nichts führen würde. Es wäre sinnlos, wenn sie als Frau Baramadir und Kadir zur Rede stellte. Das musste Jean regeln, doch er war auf den Feldern. Und Jean würde der Hochzeit eines vierzehnjährigen Mädchens mit Baramadir nicht zustimmen, da war
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