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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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zumindest nicht ausgerechnet an Baramadir zu vergeben. Als ihr Vater sie eines Tages schließlich zu einem Gespräch rief, verlief dieses allerdings ganz anders, als Inika es sich in ihrer Vorstellung ausgemalt hatte. Die entscheidenden Worte »Du wirst Baramadir im Januar heiraten« tatsächlich aus dem Mund ihres Vaters zu hören, verschlugen ihr die Sprache. Sie hatte sich vorgenommen, zu protestieren, hatte erklären wollen, dass das nicht die Zukunft war, die sie für sich wollte. Aber der Tonfall seiner Stimme und der Blick, den er ihr zuwarf, duldeten keinen Widerspruch. Was hätte es auch genützt? Das Wort ihres Vaters galt. Unter Tränen flüchtete sie aus der Hütte. Als hätte ihre Mutter es geahnt, fing sie Inika ab und drückte sie fest an sich. Inikas Körper bebte.
    »Ich will das nicht. Du musst mit Vater sprechen. Bitte!«
    »Kind, beruhige dich, alles wird gut.« Sarina strich ihr liebevoll über das Haar, und in Inika flammte kurz die Hoffnung auf, dass ihre Mutter ihr helfen würde. Dann aber verhärteten sich Sarinas Gesichtszüge.
    »Er ist ein wohlhabender Mann, er wird dir ein gutes Leben bieten können«, sagte sie tonlos.
    In diesem Moment wurde Inikas Herz zu Stein. Ihre Mutter würde tun, was der Vater sagte. Stoisch ertrug sie die Versucheihrer Mutter, sie zu trösten und ihr Mut zuzusprechen. Ihre Mutter sprach davon, dass sie als Inderinnen darauf achten mussten, ihre Herkunft zu wahren, die indischen Sitten zu pflegen und einen indischen Ehemann zu finden. Wirklich trösten oder gar überzeugen konnten Inika die Worte ihrer Mutter nicht. Zumal sie das Gefühl hatte, dass ihr die Entscheidung auch nicht gefiel.
    Inikas Enttäuschung galt aber nicht nur der Hochzeit mit diesem Mann, auch etwas anderes hatte ihr in den letzten Wochen immer wieder schlaflose Nächte bereitet. »Aber wenn … wenn ihr dann eines Tages wieder nach Indien geht … ich werde … werde hierbleiben müssen.«
    Inika sah, dass sich das Gesicht ihrer Mutter schmerzlich verzog, sie spürte deren Hand, die sachte über ihren Kopf strich.
    »Ach, wir werden wohl nie mehr nach Indien zurückkehren. Unsere Zukunft liegt in diesem Land, wir können hier wirklich mehr verdienen als dort«, sagte sie leise.
    Inika war trotz ihrer eigenen Trauer verwirrt. Sie war bisher immer davon ausgegangen, dass ihre Eltern nichts sehnlicher wünschten, als eines Tages wieder in ihre Heimat zurückzukehren, und sie hatte insgeheim immer gehofft, dass es so kommen würde. In ihren Träumen hatte sie sich ausgemalt, wie sie mit dem Geld, das die Familie hier verdient und gespart hatte, in Indien ein neues Leben anfangen würden. Aber ihre Eltern würden nicht nach Indien gehen und sie schon gar nicht. Sie würden kein besseres Leben führen, kein größeres Haus haben … Die Luftschlösser, die Inika sich gebaut und die ihr Leben in Surinam irgendwie erträglich gemacht hatten, zerfielen auf einen Schlag.
    Inika spürte plötzlich eine unsägliche Wut auf ihre Eltern. Was hatten sie hier schon für Aussichten? In die Kreise der Weißen würden sie nie aufsteigen können, geschweige denn, dass Inika ebenso viel lernen durfte, wie die Kinder der Plantagenbesitzer. Ihre Aufgabe würde immer in der Verrichtung niederer Hausarbeit bestehen  – und das nicht nur als Dienstmädchen, sondernbald auch noch für einen Mann, den sie nicht ausstehen konnte. Es gelang ihr nicht, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Warum taten ihre Eltern ihr das an? Warum hatten sie sie nur in dieses Land gebracht?
    Aber sie durfte ihrem Vater nicht widersprechen. Und in den bittenden Augen ihrer Mutter sah sie, dass es großes Unglück über die Familie bringen würde, wenn sie sich gegen diese Entscheidung wehren würde. Also fasste Inika schweren Herzens einen Entschluss: Sie würde eine folgsame Tochter sein und ihre Eltern stolz machen. Was blieb ihr schon anderes übrig.
    Nur zwei Wochen später, es war Anfang Januar, war es so weit. Inika hatte sich in der letzten Zeit kaum aus der Hütte getraut. Einerseits, weil die indischen Bewohner sie unentwegt mit Glückwünschen überhäuften, über die sie sich aber nicht freuen konnte, und andererseits, weil Baramadir sie seit dem Tag der offiziellen Verkündung mit einem solch fordernden Blick betrachtete, den sie kaum ertragen konnte. Jedes Mal, wenn Inika daran dachte, dass sie bald eine Hütte mit diesem Mann teilen musste, stieg Übelkeit in ihr hoch. Inika hatte noch gehofft, die Misi oder der

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