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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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im Arbeiterdorf einen Aufstand aus. Während sich Inikas Vater Kadir noch zurückhielt, ging Baramadir auf Jean los und konnte nur mit Mühe von zwei Männern zurückgehalten werden. Julie beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung. Baramadirs mangelnder Respekt, seine Aggressivität und Gewaltbereitschaft machten ihr Angst. Was, wenn der Kerl sich allein davonmachte, um Inika zu suchen? Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn er sie fand …
    »Er macht sich Sorgen, dass wir Mitgift zurückfordern, falls Inika nicht wiederkommt«, flüsterte Sarina, die neben Julie stand und den Streit der Männer beobachtete.
    Julie hatte Sarina so sachlich wie möglich erklärt, dass es keine Suche nach Inika geben würde. Sarina hatte laut geschluchzt, kurz darauf aber genickt. In ihrem Blick lag Erleichterung. Welche Qualen musste Sarina durchlitten haben! Seit der Hochzeit hatte sich Sarina Julie gegenüber sehr distanziert verhalten. Julie wusste nicht, ob sie ihr böse war, weil sie ihr nicht hatte helfen können, oder ob Sarina gar wegen Julies Verhalten auf der Hochzeit ungehalten war. Sie hatten nie darüber gesprochen, aber etwas stand zwischen ihnen.
    Nun drangen wieder lautstarke Stimmen aus dem Dorf an ihr Ohr. Baramadir regte sich so auf, dass Jean den Befehl geben musste, ihn in seine Hütte zu bringen. Er setzte ihn unter Arrest und wechselte noch ein paar Worte mit Kadir.
    Als er eine ganze Weile später zu den Frauen trat, schüttelte er resigniert mit dem Kopf. »Der Mann ist außer sich …«
    Am nächsten Morgen, noch bevor der eigentliche Tag anbrach, war es wieder Sarina, die in das Plantagenhaus stürmte. Sie schrie so laut, dass Julie und Jean sowie Kiri binnen Sekunden herbeigeeilt kamen. Sarinas Kleidung war blutbespritzt, und auch ihreHände, die sie immer wieder kreischend und weinend in die Höhe reckte, waren rot gefärbt.
    Kiri fing sich als Erste. Sie packte Sarina an den Schultern und schüttelte sie. »Was ist passiert? Sarina? Was ist passiert?«
    Doch sie erntete nicht mehr als ein Stammeln. »Kadir … Baramadir …« Sarina fiel auf die Knie.
    Jean fluchte laut und rannte, nur mit einer Hose bekleidet, zur Hintertür aus dem Haus.
    Julie und Kiri kümmerten sich um Sarina.
    »Er … er ist einfach in unsere Hütte gekommen und …« Sarinas Stimme brach.
    Eine gefühlte Ewigkeit später kam Jean zurück in das Plantagenhaus. Julie und Kiri hatten Sarina in den Salon geführt. Ihr Blick war teilnahmslos, immer wieder wurde ihr Körper von lautem Schluchzen geschüttelt.
    Jeans nackter Oberkörper war mit Streifen von Blut übersät, und er wischte sich immer und immer wieder die Hände an der Hose ab. Er schüttelte nur den Kopf, sein Blick sprach Bände, noch bevor er die Worte aussprach. »Sarina … es tut mir leid. Kadir ist tot. Baramadir hat … hat wohl mit dem Messer … die Kehle …«
    Sarina heulte auf.
    Julie war entsetzt. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass die Streitigkeiten um Inika so ausufern würden. Doch ihr schwante Schlimmeres. »Was … was ist mit Baramadir?«, fragte sie leise.
    Jean zuckte die Achseln. »Kadir hat … neben ihm lag sein eigenes Schlagmesser und vor der Hütte war auch eine Menge Blut … aber er ist weg.«
    »Oh Gott.« Julie hatte für einen Moment das Gefühl, den Halt zu verlieren.
    In den nachfolgenden Tagen suchten unzählige Arbeiter nachBaramadir, aber seine Spur verlief sich am Rande des Waldes. Am dritten Abend gaben die Männer auf.
    Julie harrte jeden Abend auf der Veranda aus, bis Jean kam und ihr von der Suche berichtete.
    Kiri leistete Misi Juliette auf dem Boden sitzend Gesellschaft wie früher, als sie noch ihre Leibsklavin gewesen war. Sich auf einen Stuhl neben die Misi zu setzen, das hätte Kiri sich nie getraut. Da die Misi schwieg und nachdenklich zum Fluss starrte, schwieg auch Kiri. Sie machte sich große Sorgen um die Misi, so viel Aufregung war in ihrem Zustand nicht gut. Noch mehr Sorgen aber machte sich Kiri um Inika.
    Langsam zog dichter Abenddunst den Fluss hinauf. Die letzten Sonnenstrahlen ließen auf der Oberfläche Tausende kleine Sterne tanzen. Kiris Blick wanderte zu der Stelle, an der das Boot der Herrnhuter noch vor drei Tagen vertäut gewesen war, und eine Erinnerung schoss ihr in den Kopf wie ein heller Blitz.
    Sie selbst war als Kind von einer Plantage geflüchtet, geflüchtet vor rebellischen Maroons, die die Plantage

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