Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
überrascht als glücklich auf«, fuhr sie etwas leutseliger fort. »Doch um Euch eine Freude zu machen, lieber Freund, muss ich zugeben, dass d’Alençon wohl kaum der passende Liebhaber für sie ist.«
Alles hat seine Zeit. Das Getuschel missfiel manchen Anwesenden, und man bedeutete den Störenfrieden zu schweigen.
Mit seinem zarten Schützling an der Hand eröffnete Louis XII. den Ball. Marguerite genoss die Aufmerksamkeit sichtlich, lächelte, sah jeden verführerisch an und sonnte sich in dem Glanz und Ruhm, von dem ein Teil auf ihren Bruder zurückfallen sollte.
Die Lampen tauchten ihre entblößten Schultern in sanftes Licht. Sie schritt hocherhobenen Hauptes und hielt ihren zierlichen Oberkörper, den ein Hauch von Seide und Spitzen verhüllte,
sehr aufrecht. Ihre Hand ruhte auf dem Unterarm des Königs, während sie ihre silberbeschuhten Füße einen vor den anderen setzte und sich dabei elegant in der Hüfte wiegte.
Fast ein wenig verwirrt von der Anmut seiner jungen Cousine, die sein fortgeschrittenes Alter kaum überspielen konnte, führte Ludwig sie in die Saalmitte.
Tatsächlich zeigte der fünfzigjährige Monarch mehr Rührung als angebracht, und das Publikum, stets auf Skandale aus, schien diesen kurzen verwirrten Moment wahrgenommen zu haben. Der König spürte die unerbittlichen Blicke auf sich ruhen.
»Man könnte doch tatsächlich meinen, die kleine Claude möchte tanzen«, tuschelte Anne de Graville ihren Freundinnen zu, die sich in der ersten Zuschauerreihe drängten.
»Hinkt sie heute nicht mehr als sonst?«, fragte ihre Nachbarin, nun auch neugierig geworden.
»Das kommt sicher von der Aufregung«, meinte die Comtesse de Montsereau mit einem Blick auf die Tochter der Königin, Claude de France, die sich wegen eines angeborenen Hüftfehlers wirklich ziemlich ungeschickt bewegte.
»Mehr als einen Tanz schafft sie bestimmt nicht«, erwiderte Anne de Graville, während sie ihre enormen Spitzenärmel aufplusterte.
Aus den Augenwinkeln suchte sie nach Françoise de Foix und fuhr fort: »Ich vermute, sie könnte einige Gigues oder Gaillardes tanzen, ehe sich François für sie interessiert. Seht doch, er hat nur Augen für die Foix!«
Der König versuchte zwar ein Lächeln, aber man sah ihm sein Alter, die Völlerei und die Last der Verantwortung deutlich an. Doch die ersten Töne von Cembalo und Laute erinnerten ihn plötzlich an die Zeit, als er noch mit der armen Jeanne de France
verheiratet war und mit anderen Mädchen hemmungslos ganze Nächte durchgetanzt hatte. Das machte ihm Laune, er bewegte sich mit einem Mal leichtfüßig, und die düsteren Gedanken verschwanden.
Alle Lampen leuchteten und tauchten die Gesichter in ein warmes goldenes Licht. Falten schienen auf wundersame Weise geglättet, und trübe Augen strahlten wieder. Selbst krumme alte Gestalten reckten sich.
Auch Anne de Bretagne hätte an diesem Abend sehr verführerisch sein können, wenn sie nicht auf einmal so schrecklich müde und sorgenverzehrt gewirkt hätte.
Sie sah, dass Louise in ein Gespräch mit ihrem jungen Freund de Bourbon vertieft war. Die beiden blickten sich in die Augen und schienen alles um sich vergessen zu haben.
Anne seufzte. Bei dieser vorteilhaften Beleuchtung wirkte ihr blasser Teint noch sehr jugendlich, aber die Falten und die dunklen Ringe unter ihren großen schwarzen Augen verrieten ihre Erschöpfung und machten sie nicht gerade verführerisch.
»Hoffentlich fordert der junge d’Angoulême meine Tochter zum Tanz auf«, flüsterte sie vor sich hin und spielte nervös mit ihrer Perlenkette.
Zur Feier des Tages trug sie ihren bretonischen Umhang und hatte von ihren Zofen verlangt, dass sie ebenfalls in goldfarbenen Kleidern mit grünen Posamenten erschienen.
Seit Beginn der Feierlichkeiten beklagte sich Anne beim König über die Art und Weise, mit der die Hochzeit der kleinen Marguerite begangen wurde, weil sie ihr äußerst missfiel. Sie fand, die junge Marguerite spielte sich auf, als wäre sie eine Prinzessin, stellte ihre Tochter Claude in den Hintergrund und zog bald alle Blicke auf sich.
Und auch noch an diesem Abend war Marguerite der Mittelpunkt und zog alle Blicke auf sich. Auch wenn sie selbst sich um ihren Bruder, dessen Freunde und ihre Verehrer, wie den dümmlichen Bonnivet, bemühte, schien Marguerite doch die Muse zu sein, die alle Gäste beflügelte.
In einem plötzlichen Anfall wiedergewonnener Jugendlichkeit hörte Ludwig gar nicht mehr auf zu tanzen.
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