Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
konnten Mathias hineinlegen.
Léo war ein starker Kerl. Nicht umsonst war er Hafenarbeiter in Genua gewesen und konnte einen Vierspänner lenken – so leicht gab er nicht auf!
»Mathias ist sehr schwach. Wir müssen ihn beatmen.«
Zu dritt machten sie abwechselnd Mund-zu-Mund-Beatmung, bis Mathias endlich in einem Schwall alles Wasser von sich gab, das er geschluckt hatte, die Augen öffnete und leise »Alix« sagte. Der Reihe nach sah er sie an, und Tania begriff, dass er sich an alles erinnerte.
»Ihr dürft Euch nicht bewegen, Mathias, sonst fängt Eure Wunde wieder zu bluten an.«
»Wir müssen deinem Bruder einige Fragen stellen, Tania«, sagte der Verletzte mit schwacher Stimme.
»Mein Bruder ist tot«, antwortete sie ihm ungerührt.
5.
Ganz Blois erstrahlte in hellem Licht. In allen Läden, Gasthäusern und Spelunken wurde gefeiert, und jeder freute sich standesgemäß bei dem Gedanken an die Hochzeitsnacht von Prinzessin Marguerite.
Auf Befehl des obersten Kammerherrn hatten die Diener überall im Schloss Lampen und Fackeln angezündet – und das war beileibe keine leichte Aufgabe! Alle Säle wurden bis in den hintersten Winkel beleuchtet, und vom Ehrenhof bis hin zur Ausfallpforte standen entlang der Parkalleen unzählige brennende Wachskerzen und Öllampen.
Schon seit Stunden beanspruchten der Schlossvogt und seine Bogenschützen den Haupthof für sich, während die Schweizer Garde in ihren rotgrünen Livrées den Kutschen und Sänften, die von überallher eintrafen, den Weg frei macht.
Mit großen Schritten marschierten die Gardekapitäne und ihre Männer im Ehrensaal auf und ab, wo Lakaien und Diener eilends die letzten Vorbereitungen trafen.
Trompeten und Jagdhörner verkündeten die Ankunft des Königs und der jungen Braut. Man machte ihnen Platz, knickste höflich, flüsterte und hüstelte aufgeregt und betupfte sich die Stirn mit einem feinen weißen Spitzentaschentuch.
»Bettwärmer werden das Herzchen kaum warm kriegen«, witzelte der betagte Seigneur von Mantua, auf seinen vergoldeten Spazierstock gestützt.
»Pah, Bettwärmer oder nicht«, erwiderte Baronin de Bourdeille, die stets zu einer anzüglichen Bemerkung aufgelegt war, »der Gatte von dem schönen Ding wird jedenfalls nach dem Ball kaum zum Kartenspielen gehen.«
»Ist er etwa ein Spieler?«, fragte die Comtesse de Villemomble aufgeregt.
»Ach was, er ist auch nicht schlimmer als irgendein anderer Soldat«, meinte der alte Herzog und stützte sich schwer auf seinen Stock.
»Ts, ts, ts, die sind doch alle gleich!«, tuschelte die Baronin, »alle haben sie flinke Finger und Feuer in der Hose!«
Trompeten und Jagdhörner schwiegen, und nur das Rascheln von Stoff störte die folgende Stille. Aber die Ruhe hielt nicht lange an, weil mancher eine passende Antwort auf Lager hatte und die Stimmung hitziger war als sonst.
»Jedenfalls hat er erstklassige Lenden«, sagte Baronin de Bourdeille zu ihrem Gatten so laut, dass es jeder hören konnte. »Das Herzchen wird es sich schmecken lassen. Ein schöner Mann, sehr stattlich! Gut gebaut, sehr gut ausgestattet!«
Peinlichst berührt hüstelte Baron de Bourdeille verlegen und spielte nervös mit den Knöpfen an seinem karmesinroten Wams.
»Was meint Ihr dazu, mein Freund?«
»Ich finde, die kleine Duchesse d’Alençon ist noch eine sehr unschuldige Prinzessin.«
»Mir scheint, Ihr habt keinen blassen Schimmer, lieber Baron!«, lachte die Baronin. »In Eurer Vorstellung sind alle Mädchen Jungfrauen!«
Die Comtesse de Villemomble tippte dem alten Herrn Mantua auf die Schulter. »Ist sie wirklich so naiv, wie die Leute sagen?«, schnatterte sie ihm ins Ohr.
»Wie die Leute sagen ... Die Leute sagen, dass sich ihr Bruder jedenfalls sehr gut aufs Entjungfern versteht!«, kicherte die Baronin.
Diesmal fuhr der Baron entsetzt zusammen. Warum nur musste seine Frau in der Öffentlichkeit stets für einen Skandal sorgen? Wann würde sie endlich aufhören, sich einen Spaß daraus zu machen, Geschichten zu erzählen, die vielleicht gewisse Leute sehr amüsant, andere aber schockierend fanden?
Gott, wie oft hatte er sich schon sechs Fuß unter die Erde gewünscht! Aber seine korpulente und derbe Gattin, die nichts auf Konventionen und dumme Vorurteile gab, ließ sich nicht bekehren. Dabei war Baronin de Vivonne, verheiratete Bourdeille, trotz ihrer spitzen Zunge gewiss keine boshafte Frau.
»Unser Herzchen wacht morgen vermutlich wie alle frisch verheirateten Bräute eher
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