Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
jetzt nicht. Wir müssen Mathias retten, und vor allem darf Dame Alix nichts erfahren.«
»Wo ist er?«
»An der Loire, nicht weit vom Gerberviertel. Théo hat ihm ein Messer in den Bauch gerammt.«
»Wir kommen mit«, sagte der Mann, mit dem Léo Arm in Arm am Tisch gesessen hatte, und zu dritt stiegen sie auf den Karren. Leo trieb das Pferd an, und der gute alte César zeigte, wozu er noch in der Lage war. Doch als sie zu der Stelle kamen, wo Tania Mathias zurückgelassen hatte, konnten sie ihn nirgends entdecken.
»Das war bestimmt Théo«, sagte Tania leise, die ahnte, dass ihr Bruder an den Ort des Geschehens zurückgekehrt war, um den möglichen Zeugen zu beseitigen.
»Verdammter Schurke!«, fluchte Leo, »der Teufel soll ihn holen!«
»Seht doch nur, da unten!«, rief einer der Männer und deutete zum Fluss.
Sofort erkannte Tania die Silhouette ihres Bruders. Er stand in dem Boot, das jetzt mitten im Fluss trieb. Sie waren zu spät gekommen! Entsetzt mussten Tania und die vier Männer mit ansehen, wie Théo mit einer schnellen Bewegung den Körper von Mathias mit einem Schwung in die Loire warf. Tania stieß einen Schrei aus und sprang ins Wasser.
In den großen Wasserbecken im Palast von Konstantinopel hatte sie schwimmen gelernt und wusste, dass sie das Boot schwimmend erreichen konnte. Léo konnte ebenfalls schwimmen. Oft genug hatte er mit den Fluten im Hafen von Genua gekämpft, um eine Kiste oder einen Ballen wieder aus dem Wasser zu fischen, die vom Schiff gefallen waren. Jetzt sprangen sie beide in den Fluss, um Mathias aus den Fluten zu retten. Zwei von Léos Freunden folgten ihnen, und bald hatten sie das wackelige Boot mit Théo eingeholt.
Während Léo getaucht war, um Mathias zu finden, der sicher bewusstlos unter Wasser trieb, wollten seine beiden Freunde kurzen Prozess mit Théodore machen. Als der sah, wie die Männer näher kamen, rechnete er sofort mit dem Schlimmsten. Er steuerte auf Tania zu, die nicht wusste, wie sie gegen die Strömung ankommen sollte, packte sie am Arm, zog sie ins Boot, drückte sie an sich und benützte sie als Schutzschild.
»Wenn ihr mich töten wollt, muss sie zuerst dran glauben!«, schrie er mit Panik in der Stimme.
Die drei jungen Männer schwammen um das Boot herum, aber den einen, der seinen Freunden unüberlegt gefolgt war, begannen
seine Kräfte zu verlassen. Er konnte sich nicht länger über Wasser halten und versuchte in das wackelige Boot zu klettern, indem er sich mit einer Hand daran hochzog. Théodore verpasste ihm einen wuchtigen Faustschlag auf die Finger, aber der Junge ließ nicht locker und klammerte sich verzweifelt an das Boot, wodurch es zu kentern drohte.
Tania sah, dass ihr Bruder sie losließ, um nach seinem Messer zu greifen. Als er es vom Gürtel nahm und dem jungen Mann die Klinge in die Hand rammen wollte, gab sie ihm einen heftigen Stoß. Das Messer traf zwar deshalb nur einen Finger, die Verletzung reichte aber, um den Jungen wieder ins Wasser zu schicken.
Während Tania versuchte, ihren tobenden Bruder zu beruhigen, sah sie plötzlich einen der Angreifer von hinten kommen. Er zog sich an einem der Ruderbolzen hoch und fiel mit solcher Wucht ins Boot, dass es kenterte und Théodore mit dem Kopf dagegenschlug. Von dem Schlag war er so benommen, dass er sich nicht an dem umgedrehten Boot festhalten konnte. Weil er nicht schwimmen konnte, ging er unaufhaltsam unter, weil ihm keiner zu Hilfe kam.
Tania murmelte seinen Namen, während ihr Tränen übers Gesicht liefen und sich mit dem Flusswasser vermischten. Théo kam nicht wieder an die Oberfläche. Und was hätte seine Rettung auch gebracht, außer Unglück für alle, die sie liebte? Als ihr Bruder sie brutal vergewaltigt hatte, war er bereits für sie gestorben, und es war besser so. Er hätte sie nur wieder mit seinen unersättlichen Nachstellungen gequält und sie bestimmt in die schrecklichsten Verbrechen mit hineingezogen, sie gezwungen zu lügen, zu stehlen und sich für ihn zu verkaufen. Sie unterdrückte ein Schluchzen. Von Théo wollte sie sich nur die Erinnerung an die gemeinsame Kindheit bewahren.
Während zwei Männer versuchten, das Boot umzudrehen, dachte Tania nur noch daran, Mathias zu retten. Einer von Léos Freunden hatte ihn unter Wasser entdeckt und versuchte nun Mathias, der noch lebte, an die Wasseroberfläche zu holen. Zu zweit gelang es ihnen, seinen Körper über Wasser zu halten. Zum Glück war das Boot inzwischen wieder umgedreht worden, und sie
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