Die Blut-Loge
nicht mehr von seiner Seite, überhäufte sie mit Komplimenten und fast zufällig scheinenden, zärtlichen Berührungen, die sie sichtlich genoss. Allerdings entgingen ihm Rubens Blicke für seine kleine Freundin nicht. Der machte jedoch keine Anstalten, sich zwischen sie zu stellen. Er wirkte eher wie ein stiller Beobachter, der sich an der wachsenden Spannung zwischen dem jungen Vampir und seinem potentiellen Opfer weidete. Stark entging auch nicht die plötzlich aufkeimende Eifersucht des Bruders in dessen Augen. Früher oder später würde es amüsant werden. Ruben leerte den dunkelroten Cocktail in seinem Glas mit einem Zug und stellte es zurück auf den Tisch, bevor er aufstand und sich mit einem Augenzwinkern zu Jerome hin verabschiedete.
„Läuft da eigentlich was zwischen Jerome und dir?“, fragte Leon unvermittelt am nächsten Morgen beim Frühstück und biss anschließend in sein Toastbrot. Laura blickte erschrocken hoch. Ihr Blick genügte Leon. Enttäuscht legte er das Brot zurück auf den Teller.
„Ging das von ihm aus oder von dir?“, wollte er wissen. In seiner Stimme klang tiefe Enttäuschung. „Ich weiß es nicht. Eigentlich von uns beiden“, gab Laura leise zu.
„Hm...“, machte Leon. „Dann steht er wohl doch nicht so richtig auf Jungs. Ich habe ja immer schon geahnt, dass unser Jerome irgendwie ‚anders’ ist.“
Laura atmete auf. Sie hätte nie gedacht, dass ihr Bruder das so leicht hinnehmen würde. Trotzdem würde sie ihm nicht erzählen, dass Jerome sie heute in „seine“ Villa eingeladen hatte. Obwohl sie ihre in Sektlaune gegebene Zusage schon wieder bereute. Sie war immer noch misstrauisch, obwohl sie sich zu dem jungen Künstler hingezogen fühlte.
„Allerdings“, meinte ihr Bruder gerade, „wäre auch schön, wenn er sich mit beiden anfreunden würde.“ Laura sah ihn daraufhin so entsetzt an, dass er lachen musste. „Na ja, man kann ja nie wissen, und wenn du nicht meine Schwester wärst …“, spottete er und wandte sich wieder dem Frühstück zu. Aber seine zur Schau getragene Gelassenheit täuschte. Innerlich fühlte er sich verletzt, doch er gab nicht seiner Schwester Laura die Schuld.
Diese fand sich wenige Stunden später in dem stilvollen Wohnzimmer von Jeromes alter Villa wieder, das ganz mit schwarzen und weißen Möbelstücken eingerichtet war. Ein paar violette Farbtupfer in Form von Bildern, Gläsern und Blumen lockerten die etwas streng wirkende, moderne Atmosphäre spürbar auf. Jerome hatte sie nicht ohne Stolz durch seine vorübergehende Bleibe geführt. Lauras Bewunderung galt aber nicht allein dem Anwesen, auch Jerome spürte ihre Blicke immer öfter auf sich ruhen. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit einem weißen T-Shirt darunter. Die schwarzen Haare umrahmten sein schmales Gesicht mit den dunkelblauen Augen und verliehen ihm das Aussehen eines Rockstars. Dabei erfassten seine vampirischen Sinne, dass Laura nur zu gerne wieder in seinen Armen liegen würde und vielleicht sogar zu mehr bereit war. Sein Jagdinstinkt war niemals völlig erloschen, obwohl Ruben und die Loge ihm genügend „Fertignahrung“ lieferte. Zudem war es für einen Vampir langweilig, wie ein Schoßhund versorgt zu werden.
Jerome befand sich in einem Zwiespalt. Er verhielt sich zunächst höflich, aber auch kühl Laura gegenüber. Jetzt, wo es ihm so gut ging, wollte er Laura verschonen. Lohnte es sich, ihr noch Hoffnungen zu machen, wo die Loge ihn so gut versorgte?
Und wenn er diese Hoffnungen erfüllte, so würde sie sowieso nutzlos für ihn. Oder sollte er die zierliche Frau zu seiner Gefährtin machen? Er konnte nicht leugnen, dass er etwas für die dunkelhaarige Schönheit empfand. Sie war so ganz anders als diese oberflächlichen Mädchen, die er bisher kennen gelernt hatte. Intelligent, stark und eine Kämpfernatur. Sie wusste, was es hieß, sich alleine durchs Leben zu schlagen, ohne sich von anderen abhängig zu machen. Ebenso spürte er, dass ihre Zuneigung zu ihm unablässig gewachsen war, dabei hatte er nicht einmal einen Bann über sie gelegt, wie er es zuvor geplant hatte. Nein, sie war ganz und gar freiwillig bei ihm.
Sie zu wandeln hieße aber auch, sein Geheimnis mit ihr teilen zu müssen. Und das tat er bereits mit Ruben Stark, wenn auch unfreiwillig! Diese und ähnliche Gedanken schossen durch den Kopf des jungen Vampirs.
Laura spürte seine geistige Abwesenheit. Bedrückte ihn etwas? Sie saßen gemeinsam bei einem Glas Rotwein –
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