Die Blut-Loge
egal ob Mann oder Frau“, flüsterte sie geheimnisvoll. Dabei legte sie bedeutungsvoll ihre zarten Finger auf die beliebte Biss-Stelle am Hals, die jetzt von einem zarten Seidenband verdeckt war und ihre Finger glitten tiefer den Hals hinunter bis zum Ansatz ihrer Brüste. „Und manchmal darf ich sogar mitspielen“, fügte sie stolz hinzu. „Obwohl sie nicht gerne teilen.“ Dann wurde ihr Tonfall ernst. „Aber wehe, wenn man sich gegen sie stellt oder ihre Gesetze missachtet, dann üben sie ihre grausamen Spielchen auch bei unsereins aus. Für die sind wir nur zweite Wahl!“, warnte sie Jerome eindringlich.
Und dieser letzte Satz kam ihm gerade wieder in den Sinn, als er die Eingangstür sich öffnen hörte. Ruben Stark kam nicht allein. Laura Henning war bei ihm. Mit Verwunderung registrierten die beiden jungen Vampire die Anwesenheit der jungen Frau, die ebenfalls nicht wusste, was sie mitten in der Nacht hier sollte. Sie beruhigte sich allerdings beim Anblick ihres Bruders, der wohlauf und gesund aussah. Ruben hatte unterwegs nicht auf ihre neugierigen Fragen eingehen wollen. Jetzt umarmte sie Leon spontan und blickte sich erstaunt in dieser merkwürdigen Runde um.
Sie betrachtete Jerome mit einer gewissen Distanz, ja einer Art von Abscheu. Sie grüßte ihn nur kurz und wich zurück, als er näher treten wollte. Der Vampir konnte in ihren Gedanken sehen, was sie heute Morgen erfahren hatte und starrte nun seinerseits Ruben Stark unverhohlen hasserfüllt an. Dieser erwiderte den Blick mit provokanter Ruhe. Die Atmosphäre in diesem Raum glich plötzlich der eines aufziehenden Gewitters. Die Luft schien elektrisch geladen zu sein.
* * *
Die Rede, die Ruben Stark seinen drei Zuhörern nun lieferte, war kurz, hatte es aber in sich.
Laura verstand am Anfang kein Wort.
„Die jahrtausendelange Existenz unserer Rasse und insbesondere der Loge hing und hängt davon ab, dass unsere Aktivitäten nicht entdeckt werden. Wir haben uns im Laufe dieser Zeit von instinktgetriebenen nachtaktiven Raubtieren zu einer Art zivilisierten Jägern entwickelt und uns perfekt an die Fortschritte der menschlichen Gesellschaft angepasst. Aber unsere Jagd unterliegt nun gewissen Regeln“, begann Stark, während er die Drei, die vor ihm saßen wie unwissende Studenten, aufmerksam beobachtete. Er selbst blieb lieber stehen, allein schon, um seine ranghöhere Position zu demonstrieren.
„Und das gilt auch“, er blickte in die Runde, „und ganz besonders für exzentrische Künstler!“, fuhr er fort. Dann wandte er sich direkt an Leon.
„Die Überreste deines Opfers haben meine Leute inzwischen entsorgt. Aber das war das erste und einzige Mal“, warnte er nun. Und zu Jerome: „Jetzt zu dir, mein Freund, wenn du schon einen neuen Vampir erschaffst, dann übernimm gefällig auch die Verantwortung für deinen Schützling! Ich habe dich bereits einmal verwarnt. Jetzt wirst du die Konsequenzen tragen müssen.“
Es blieb still im Raum. Laura blickte abwechselnd von einem zu anderen. Worum ging es hier eigentlich? Das Gespräch mit ihrem Bruder im Restaurant fiel ihr ein. Hatte er tatsächlich die Wahrheit gesagt?
Es lag nicht in Rubens Absicht, sie aufzuklären, jedenfalls noch nicht. Stattdessen hielt er weiter seine Standpauke.
„Die Sangue Ombra verlangt Rechenschaft für jeden Verstoß gegen ihre Gesetze. Bei uns gilt immer noch das uralte Gesetz ‚Auge um Auge’. Leon Henning – du wirst für dein Vergehen gegen unsere Gesetze mit der Vernichtung bestraft.“
Das war das Todesurteil für den jungen, blonden Travestiekünstler. Soviel begriff selbst seine Schwester. Empört stand Laura auf. „Was soll dieses Affentheater hier“, fauchte sie Ruben Stark respektlos an. „Du willst also meinen Bruder umbringen. Das werde ich niemals zulassen. Nur über meine Leiche!“
Leon gab ihr noch ein Zeichen still zu sein, aber sie hatte sich in Rage geredet und ihre schönen Augen blitzten voller Zorn.
Ruben grinste nur. „Das lässt sich machen!“, sagte er leise.
Leon packte Laura am Arm, noch bevor sie antworten konnte und nötigte sie, sich wieder hinzusetzen.
In Rubens Kopf reifte ein neuer Plan heran. Er blickte Laura an. „Wenn du Leon so sehr liebst, meine Schöne, dann darfst du an seiner Stelle die Strafe antreten.“
Jetzt war es an Jerome, sich zu erheben. „Niemals! Sie hat mit der ganzen Sache nichts zu tun.“
Ruben Stark hob die Augenbrauen voller gespielter Verwunderung. „Hat sie nicht?
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