Die Blut-Loge
klang viel zu rau. „Nein, ganz bestimmt nicht.“
„Ihr habt euch also getroffen“, stellte Ruben Stark jetzt zufrieden fest und seine schwarzen Augen zogen sich zusammen. Er spürte, dass sein Gegenüber verzweifelt versuchte, sein mentales Eindringen zu verhindern. Dazu sollte Laura als junge Vampirin noch gar nicht fähig sein! „Komm, setz dich wieder“, forderte er die dunkelhaarige Schönheit auf, aber Jerome schüttelte den Kopf.
„Nein, ich muss jetzt gehen, die Vorstellung fängt gleich an. Ich werde erwartet“, behauptete er, aber seine Stimme klang nicht mehr so fest wie zu Anfang.
Da war wieder dieser verwegene Ausdruck in Rubens Gesicht. Der um einen Kopf größere Mann stellte sich drohend vor sie. „Im Gegenteil, die Vorstellung ist hier zu Ende, mein lieber Jerome. Du wirst dich brav wieder hinsetzen, und ich werde dir erzählen, was dich erwartet.“
Wenn Jerome noch blasser hätte werden können, dann wäre das jetzt der Fall gewesen. Einen Kampf mit diesem mächtigen Vampir würde er auf alle Fälle verlieren. Ruben legte seine kräftigen Hände auf die schmalen Schultern und zwang seinen – noch weiblichen – Besuch zum Hinsetzen. Dann griff er zum Handy und führte ein Telefonat in englischer Sprache. Anschließend goss er sich einen neuen Drink ein, ohne Jerome, beziehungsweise Laura, für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
„Dad freut sich sehr, dich bald kennen zu lernen“, begann er das Gespräch lässig, als würde er einen Smalltalk auf einer Party führen. Dabei nahm er wieder gegenüber seinem Besucher Platz und ließ erneut seine Hand über Jeromes Knie gleiten.
„Aber bevor meine Leute dich zu meinem Vater bringen, kannst du dich noch entscheiden, ob du mir als Frau oder als Mann gehören willst. Soviel Zeit muss sein. Mich würde interessieren, was dir besser gefällt.“
Rubens anzügliches Grinsen und sein eisiger Blick unterstrichen seine Forderung. Er meinte es ernst.
Und zum ersten Mal fühlte Jerome, was bislang seine Opfer immer gefühlt hatten. Er war Rubens dunkler Macht hilflos ausgeliefert!
* * *
Während Jerome in der Falle saß, hatten Laura und Leon bereits ihre Plätze in der Boeing der United Airlines eingenommen. Sie hatten den erstbesten Flug in die Staaten gebucht, auf dem noch zwei Plätze frei waren. Als hätte das Schicksal ein Einsehen mit dem jungen Künstler Leon gehabt, ging dieser Flug nach Las Vegas, der Stadt, in der er seine Fähigkeiten ausleben konnte. Einer Stadt, von der auch Jerome immer geträumt hatte. Allerdings hatte niemand von ihnen vorgehabt, alleine zu reisen. Nein, sie hätten es sich gemeinsam mit den restlichen Midnight Fairies gewünscht. Aber dieser Traum sollte wohl zumindest für einen von ihnen nie in Erfüllung gehen.
Was Leon nicht wusste, war, dass auch Jerome in dieser Nacht noch in die USA reiste, allerdings in Begleitung zweier Logenmitglieder nach Los Angeles. Dort wurde er im Morgengrauen in der abgeschotteten, eleganten Villa von Gabriel Stark erwartet. Der Anblick, der sich dem milliardenschweren Eigner von STARK Enterprises bot, war nicht der eines extravaganten Künstlers. Und die Männerklamotten, die er trug – ein blutbeflecktes, weißes Hemd und schwarze Jeans – waren für den schlanken jungen Mann mit dem hübschen Gesicht eindeutig zu groß. Außerdem schien dieser Junge kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen. Seine Knie drohten ständig nachzugeben, und er musste von den beiden anderen Vampiren gestützt werden. Gabriel Stark, der muskulöse, grauhaarige Mann mit dem Dreitagebart, begutachtete seinen Gast von allen Seiten. Er ähnelte dabei einem weißen Hai, der sein Opfer genüsslich umkreiste. In den Gedanken dieses jungen Vampirs konnte er deutlich lesen, was geschehen war. Die letzten Stunden des geschundenen Vampirs liefen wie ein Kinofilm in seinen Gedanken ab. Die Kratz- und Bisswunden an dessen Körper sprachen außerdem für sich. Er war zu schwach, um diese aus eigener Kraft wieder heilen zu lassen. Jerome Summers, der Gaukler, der Spieler, der Dieb, hatte seinen letzten Kampf verloren. Er hatte es gewagt, gegen die mächtigste Vampirloge anzutreten und hatte versagt.
„Wie ich sehe, hat mein Sohn dich vernascht“, bemerkte Gabriel Stark dann mit eisiger Stimme. „In diesem Zustand bist du leider für meine Zwecke im Moment nicht zu gebrauchen. Zunächst einmal müssen wir dich wieder aufpäppeln und danach sehen wir weiter.“
Der Vampirführer winkte und
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