Die Blut-Loge
Jeromes Begleiter schleppten diesen davon.
Jerome selbst war es mittlerweile gleichgültig, was mit ihm geschah. Ruben hatte ihn nicht nur körperlich missbraucht, das hätte er leicht verkraften können. Doch er hatte seinen Willen gebrochen, ihn durch Alpträume geschickt und mental gefoltert, von seinem Geist Besitz ergriffen und ihn ausgelöscht.
Jerome Summers würde nie wieder der Alte sein. Nur noch eine schöne Hülle. Das wusste auch Gabriel Stark, aber es war ihm egal.
Er brauchte den jungen Vampir nur für seine Forschungszwecke. Er wollte aus dessen Blut ein Serum gewinnen, das jedem von ihnen – und damit meinte er ausschließlich die Mitglieder der Loge – diese enorme Wandlungsfähigkeit schenkte, um die Menschen zu täuschen, zu verführen und letztendlich zu versklaven. Nicht nur die Menschen träumten schließlich von der Weltherrschaft. Dabei ahnten sie nicht, wieweit sie schon beherrscht wurden - von ganz anderen Kreaturen.
Wenn es Jerome gelungen war, seinen Sohn Ruben auch nur für eine Minute perfekt zu täuschen, dann konnte man eine ganze Nation täuschen, indem man die Gestalt ihres Präsidenten annahm!
Ja, Gabriel Stark hatte große Pläne – nicht nur mit Jerome.
Sein Sohn Ruben allerdings auch.
* * *
„Zum Teufel noch mal! Ich wünschte, du würdest mehr an das Wohl der Loge und unserer Firma denken, als an dein eigenes Vergnügen“, brüllte Gabriel Stark sechs Wochen später seinen Sohn an. Er hatte ihn in sein Büro nach L.A. zitiert und keinen Widerspruch geduldet.
„Sieh dir das an!“ Er zeigte auf eine kleine Phiole mit orangerotem Inhalt. „Das ist von diesem Jerome übrig. Er hat keine vier Wochen überlebt. Im Labor befinden sich nur noch wenige Proben. Zu wenig für die Loge.“
Ruben stark betrachtete versunken seine gepflegten Nägel. „Und deshalb regst du dich so auf?“, fragte er mit nonchalanter Lässigkeit.
Gabriel fuhr herum und es hatte den Anschein, als wolle er seinem Sohn an die Kehle fahren. „Was soll das heißen?“, fauchte er. „Ist das etwa kein Grund, sich aufzuregen? Seit Jahrzehnten haben wir diesen Knaben beobachtet und darauf gewartet, dass er einen Fehler macht. Und er war verdammt clever, oh ja. Seine Fähigkeit war einfach einzigartig.“
„War sie nicht“, gab Ruben trocken zur Antwort.
Seinem Vater blieb der Mund offen stehen, bevor er seine Schimpftirade weiterführen konnte.
Ruben erhob sich aus dem Stuhl vor dem Schreibtisch seines Vaters. „Es gibt noch einen, der diese Fähigkeiten besitzt“, erklärte er dann mit gewisser Genugtuung. „Einen Typen, den er gewandelt hat und der die gleichen Möglichkeiten besitzt.“
„Schaff ihn her!“, forderte Gabriel.
Ruben lachte. „Ganz ruhig. Er ist nur ein paar hundert Meilen weit weg. Ich habe natürlich vorgesorgt.“ Er liebte dieses Spielchen mit seinem mächtigen Vater. Ein Konkurrenzkampf, der in den letzten Jahren immer heftiger geworden war.
„Was soll das heißen?“
„Ganz einfach. Unser Ersatzmann – Leon heißt er übrigens – befindet sich zurzeit in Las Vegas. Ich habe dafür gesorgt, dass seine gesamte Truppe aus Berlin dort im STARDUST engagiert wird, so dass er sich völlig sicher fühlen wird. Und sein kleines Schwesterchen übrigens auch. Aber die gehört mir“, erläuterte Ruben.
Sein Vater konnte eine gewisse Bewunderung für seinen Sohn nicht verbergen. „Also schön, dann hol uns diesen Leon und vergnüg dich meinetwegen mit seiner Schwester. Mir egal. Hauptsache, ich bekomme mein Serum und das so schnell wie möglich. Diese wenigen Tropfen haben bereits eine unglaubliche, wenn auch sehr begrenzte Wirkung gezeigt.“ Fast verliebt betrachtete der mächtige Konzernchef die kleine Phiole auf seinem Schreibtisch.
„Da fällt mir ein, Vater, es wäre nett, wenn ich dieses Zeug mal ausborgen könnte. Ich möchte einen kleinen Köder auslegen“, forderte Ruben. Bevor sein Vater erneut aufbrausen konnte, fuhr er fort: „Glaub mir, du bekommst dafür sehr viel mehr zurück. Dieser Leon ist ein junger, kräftiger Mann, der bestimmt etwas länger durchhalten wird.“
Gabriel seufzte. „Also schön“, gab er nach. „Aber wage es nicht, dich an ihm zu vergreifen wie bei dem anderen.“
„Keine Sorge Vater, ich stehe mehr auf Dunkelhaarige“, grinste Ruben, schnappte sich die Phiole und wandte sich zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal herum. „Ein paar Tropfen genügen, sagst du?“, vergewisserte er sich noch
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