Die Blut-Loge
bestimmt wie möglich.
Ruben wies mit seiner Hand zur Tür. „Bitte. Ich werde dich nicht aufhalten!“
Hastig schnappte Laura sich ihre Handtasche und verließ das elegante Haus, ohne sich noch einmal umzublicken. Sie hörte, wie die schwere Haustür ins Schloss fiel. Hörte sie Ruben etwa auch noch laut lachen?
Sie fischte ihr Handy aus der Tasche und wählte Leons Nummer.
* * *
„Sie wollen euch töten oder was auch immer mit euch machen.“ So endete der Bericht, den Laura ihrem Bruder und Jerome abgab. Die drei jungen Vampire hatten sich auf neutralem Boden in einem Park getroffen. Nach außen hin glichen sie harmlosen Spaziergängern, doch ihre imponierenden Erscheinungen waren nicht zu übersehen. Besonders nach der gazellenhaften Laura drehten sich die männlichen Passanten gerne um. Das Tageslicht bereitete der jungen Vampirin noch Kopfschmerzen, deshalb trug sie eine Sonnenbrille. Die beiden Männer hatten dies nicht mehr nötig. Jeromes Blick beim Auftauchen der frisch Gewandelten trug nicht mehr das frühere Begehren in sich, eher Enttäuschung. Aber Laura fühlte jetzt deutlich mit ihren neu erwachten Sinnen, dass diese Enttäuschung nicht unbedingt in ihrer Person lag. Sie glich eher der eines Kindes, dem man ein lieb gewonnenes Spielzeug weggenommen hatte. Konnten Vampire überhaupt so etwas wie echte Gefühle entwickeln? Ihr Bruder dagegen hatte sich ehrlich gefreut, sie wohlbehalten wieder zu sehen. Er schien überhaupt merkwürdig glücklich zu sein.
„Das Gesetz der Loge verbietet das Töten eines Vampirs durch seinesgleichen“, sagte Jerome nach einer kleinen Weile.
„Sie haben dich in der Hand wegen der Leiche in Hamburg, soviel konnte ich bereits in Rubens Gedanken lesen“, zischte Laura. Der Zorn in ihr hatte immer noch nicht nachgelassen. Vor allem aber war sie zornig auf sich selbst, dass sie Ruben vertraut und sich ihm geschenkt hatte.
„Und wegen mir und meiner Leiche“, murmelte Leon. „Das reicht, um dich zu vernichten.“
Jerome wurde nachdenklich.
„Der Typ will was ganz anderes, glaubt mir. Sein Vater drüben in Amerika bastelt an einigen Produkten, von denen er mir nichts erzählen wollte. Aber die haben ihre Finger überall drin. Und sie wollen dich, beziehungsweise euch, wegen dieser Fähigkeiten, die ihr entwickelt habt.“ Lauras Stimme klang fast flehend.
„Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?“, fragte Leon jetzt ungehalten. „Wir können uns nicht ein Leben lang verstecken, das kann nämlich verdammt lange dauern! In einem Kampf gegen die Loge haben wir keine Chance!“
Die drei schwiegen einen Moment lang. Die Aussichtslosigkeit ihrer Situation wurde ihnen voll bewusst.
„Nutzen wir doch unseren Vorteil aus“, schlug Jerome schließlich vor. „Wir täuschen Ruben. Ich kehre als Laura zu ihm zurück und gebe vor, ich wolle seine Gefährtin werden. Vielleicht vertraut er mir mehr von seinen Plänen an, oder es gelingt mir sogar, ihn zu vernichten. Und ihr reist inzwischen in die Staaten aus und versucht, euch ein neues Leben aufzubauen. Als Künstler dürfte das wohl kein Problem sein.“
Mit soviel Edelmut hatten die Geschwister nicht gerechnet. Aber der Spieler in Jerome war wieder erwacht. War seine Gestaltwandlung wirklich so perfekt, dass es ihm gelingen würde, den mächtigen Führer der Sangue Ombra zu täuschen?
„Na toll, du vergisst wohl, dass unsere Verwandlung maximal drei Stunden anhält. Und das mit der Vernichtung vergisst du wohl besser, der Kerl ist zu mächtig“, schnaubte Leon.
„Dein Plan grenzt an einen Kamikaze-Einsatz“, ergänzte Laura.
„Wieso, er wird mich nicht töten, wenn er mich für seine Pläne braucht. Außerdem schulde ich euch beiden etwas. Schließlich seid ihr ja durch mich in diese Situation gekommen“, gab Jerome zur Antwort.
„Wenn du einmal in Starks Fängen bist, kommst du nie wieder raus“, warnte Laura mit besorgter Stimme. Dabei stellte sie fest, dass sie wohl doch noch etwas für Jerome empfand, was dieser mit Genugtuung, ihr Bruder eher mit Unbehagen, bemerkte. Oder war es Eifersucht?
„Na schön, Supergirl, dann mach doch einen besseren Vorschlag“, erwiderte Leon mit einem spöttischen Unterton.
Laura lenkte ein. „Also gut, das ist wohl besser, als für den Rest der Ewigkeit wegzulaufen. Trotzdem lassen wir dich nicht gerne allein mit diesem Ungeheuer“, sagte sie mit einem Blick zu Jerome.
Der winkte ab. „Macht euch keine Sorgen. Ich finde schon einen Weg.
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