Die Blut-Prinzessin
Zuschauer. Bei ihnen war es eine regelrechte Befreiung von einem Bann.
Ich atmete tief durch. Allmählich kam ich zu mir, und aus meinem Mund drang der Atem wie ein leises Stöhnen. Ich spürte zudem das leichte Ziehen im Hinterkopf, was nicht am Tanz lag, sondern an der etwas schlechten Luft, die nicht nur durch den Rauch geschwängert war, sondern auch durch das Aroma irgendwelcher fremder Öle und Gewürze.
Allmählich kam ich wieder zu mir. Es glich einem Erwachen wie aus einem tiefen Traum. Die Wirklichkeit sah anders aus als sonst. Ich befand mich auf einer Insel, die nichts mehr mit der Stadt London zu tun hatte.
Noch immer schwebte die Dunkelheit über der Tanzfläche. Es war schon ungewöhnlich, wie lange sie anhielt, aber das verging, als ein Trommelschlag aufklang.
Das Zeichen!
Plötzlich war das Licht wieder da und überflutete eine Gestalt, die auf dem Boden hockte und den Kopf nach vorn gedrückt hatte, als würde sie sich schämen.
»Was ist mit ihr?«, flüsterte ich Amos zu.
Er hob mit einer knappen Geste die Schultern. »Ich kann es Ihnen nicht sagen, John. Der Tanz ist für mich neu. Aber ich kann mir vorstellen, dass er eine rituelle Bedeutung hat.«
Ich stellte keine Fragen mehr. Dazu wäre ich auch nicht mehr gekommen, denn jetzt tat sich wieder etwas.
Die Tänzerin drückte sich in die Höhe, nachdem zuvor ein Zittern ihren Körper durchlaufen hatte. Sie kam langsam hoch. Ihre Bewegungen waren matt und schienen unterwegs einzuschlafen.
Ich ließ mich davon nicht ablenken und konzentrierte mich mehr auf das Gesicht.
Dass die Frau so wild getanzt hatte, war dem Gesicht nicht anzusehen. Es sah noch immer normal aus. Man konnte auch von einer gewissen Entspanntheit sprechen.
Sie stand auf.
Langsam, mit lasziven Bewegungen, als wollte sie schon jetzt auf den nächsten Tanz hinweisen. In ihrem Gesicht entdeckte ich auch weiterhin keinen Ausdruck. Die Augen waren jetzt deutlicher zu sehen. Sie kamen mir leer vor. Das Licht fing sich darin, und eigentlich hätte sie zwinkern müssen, was sie nicht tat.
»Da stimmt was nicht«, flüsterte ich Durban zu.
»Wieso?«
»Schau Sie sie an.«
Er blickte zur Tänzerin hin, sah aber nichts, was ihn misstrauisch gemacht hätte.
Mit einer letzten und entschiedenen Bewegung stellte sie sich hin und drückte ihren Rücken durch..
Perfekt – oder?
Nein, da war nichts perfekt, denn was nun passierte, das machte nicht nur mich stumm, sondern auch die anderen Gäste, die jetzt eigentlich hätten Beifall klatschen müssen.
Niemand tat es, weil wohl jeder spürte, dass mit der Tänzerin nicht alles okay war. Sie stand da, als hätte man sie auf der Tanzfläche festgenagelt. Sie stierte ins Leere und schien überhaupt nichts mehr sehen zu können.
Dann öffnete sie den Mund und stierte nach vorn.
»Das macht sie nicht grundlos«, flüsterte ich.
Amos hob die Schultern.
Ich wollte noch etwas hinzufügen. Dazu kam es nicht mehr, denn der Kopf der Tänzerin ruckte nach vorn.
Es war wie in der Leichenhalle. Von innen her quoll etwas nach draußen, sammelte sich, und ich hörte zugleich die heulenden und klagenden Laute im Hintergrund.
Einen Moment später klatschte der erste Schwall Blut auf die Tanzfläche...
***
Es war der Schock!
Für alle Gäste, auch für mich, obwohl ich die gleiche Szene bereits in der Leichenhalle hatte erleben müssen.
Die Gäste schauten zu. Auch Amos Durban. Ich hörte sein Stöhnen, und ich sah auch, dass er den Kopf schüttelte.
Ich fragte mich, ob die Tänzerin als lebende Person auf die Tanzfläche gekommen war oder schon als Zombie.
Ich tendierte zur letzten Möglichkeit, wenn ich mir in Erinnerung rief, was ich gesehen hatte.
»Das war Blut, John!«
»Ja, ich hab’s gesehen.«
»Scheiße.« Durban schüttelte den Kopf. »Und wie geht es jetzt weiter?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, sorry . Ich frage mich jedoch, ob sie noch ein normaler Mensch ist oder nicht.«
»Sie denken an einen weiblichen Zombie?«
»Mehr oder weniger.«
Durban schwieg für eine Weile, während ich die Tänzerin im Auge behielt. Noch tat sie nichts, stand auf der Bühne, rührte sich nicht.
»Was könnte sie denn Vorhaben?«, fragte Amos Durban mit stöhnender Stimme.
»Fragen Sie mich was Leichteres.«
»Sagen Sie nur nicht, dass Sie keine Vorstellung davon haben!«
»Nur eine Befürchtung. Wenn sie so reagiert wie die meisten Zombies, dann sieht es nicht eben gut für die Gäste hier aus.«
»Eine dieser Kreaturen haben
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