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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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uns kennenlernen.“ Drohend baute sich der Grobschlächtige vor Robert auf, dem das Blut aus der Nase spritzte und in dieser Zwangslage nichts anderes mehr übrig blieb, als den Wachmännern zu geben, was sie verlangten.
    Der Jüngere hob das schwere Querholz aus der Halterung und stieß die Türe auf. Mit einem unsanften Stoß beförderte er Robert und Marie in die Zelle, schloss die Türe hinter ihnen und schob dann den Riegel wieder davor.
    In dem kleinen Raum war es feucht und modrig, und es stank bestialisch nach Kot und anderem Unrat. Robert fühlte sich entsetzlich. Jeder Knochen tat ihm weh, doch das Schlimmste an allem war seine Hilflosigkeit und seine Wut auf sich selbst. Er hatte geschworen, Marie mit seinem Leben zu verteidigen, und doch war es ihm weder gelungen, sie vor dem Bischof zu schützen noch vor diesem grobschlächtigen Jagdaufseher. Wahrscheinlich wäre sie ohne ihn besser dran gewesen.
    Erschöpft ließ er sich auf das vermoderte Stroh sinken, das den Boden nur dürftig bedeckte.
    Da nahm Marie ihn in die Arme und sah ihm tief in die Augen. Augenblicklich fühlte er, wie seine Schmerzen nachließen und schließlich ganz verschwanden. Es war wie ein Wunder, unbegreiflich und doch real, und obwohl er schon oft dabei gewesen war, wenn Marie andere Menschen geheilt hatte, war es noch einmal etwas ganz anderes, ihre wundersamen Heilkräfte am eigenen Leib zu spüren. Überwältigt erwiderte er ihre Umarmung und hielt sie fest, als ihr Körper sich verkrampfte, bis sie schließlich das Bewusstsein verlor.
    Ein Gefühl tiefer Ehrfurcht, gepaart mit unendlicher Zärtlichkeit für Marie, deren Gesicht sich langsam entspannte, überkam ihn. Er wagte kaum, sich zu bewegen, um sie nicht in ihrem Schlaf zu stören, und er rührte sich auch dann nicht, als seine Arme steif zu werden begannen. Lange saß er so, noch immer ganz von dem gerade Erlebten gefangen.
    Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als Marie ihre Augen endlich wieder aufschlug und sich verwirrt und ein wenig ängstlich umsah. Mit einem Schlag kehrten seine Schuldgefühle zurück und mit ihnen die Hilflosigkeit angesichts ihrer Lage. Marie bemerkte, wie sich sein Blick verdüsterte.
    „Ihr dürft Euch nicht die Schuld an dem geben, was geschehen ist“, meinte sie tröstend. „Ihr könnt nichts wirklich dafür, außerdem waren sie Euch an Zahl und Waffen weit überlegen.“
    „Ich kann nicht ertragen, dass Ihr mich verachtet, obwohl Ihr allen Grund dazu habt“, stieß Robert hervor. Marie war entsetzt.
    „Wie könnte ich Euch verachten, nachdem Ihr so viel für mich aufgegeben und alles getan habt, nur um mich zu schützen?“
    „Es war aber nicht genug“, erwiderte Robert grimmig. „Jetzt können wir nur noch hoffen, dass diese gierigen Lumpen dem Herrn von Coucy meine Botschaft auch überbringen werden. Ich bin mir sicher, dass er uns gehen lassen wird, sobald ich mit ihm gesprochen habe.“ Er klammerte sich an diese Hoffnung und schwor sich, alles wiedergutzumachen, was Marie durch seine Schuld erdulden musste.
    Die Zeit verging, und es schien ihnen endlos lange zu dauern, bis sie draußen Schritte vernahmen. Robert sprang auf. Der schwere Riegel wurde zurückgezogen und die Türe aufgestoßen.
    „Mitkommen!“, befahl ihnen der Wachmann.
    Robert nahm Marie bei der Hand und zog sie vom Stroh hoch. Danach folgten sie der Wache, die sie durch lange Gänge bis in die Haupthalle der Burg brachte. Marie sah sich staunend in dem riesigen Raum um, der voller Menschen war.
    Enguerrand lV., der Herr von Coucy, saß am Kopfende der langen Tafel, die vor dem riesigen Kamin aufgebaut worden war. Er trug einen pelzverbrämten Umhang aus grün schimmerndem Samt und eine reich geschmückte Kopfbedeckung in der gleichen Farbe.
    Auf dem Boden saßen sechs Jagdhunde um ihn herum, die jede Bewegung ihres Herrn mit blutunterlaufenen Augen verfolgten.
    Es befanden sich mehrere Hundert Menschen in der Halle, die jeweils ihrem Rang entsprechend ihre Plätze eingenommen hatten. An der Tafel des Burgherrn saßen die Fürsten und Ritter, denen die höherrangigen Bediensteten des Herrn von Coucy, seine Leibärzte, Priester, Sekretäre und Schreiber folgten sowie der Waffenmeister, der Jagdaufseher und der Falkner.
    Ein nicht enden wollender Strom von Dienern versorgte die Gesellschaft mit Speisen und Getränken, und die Gäste unterhielten sich lautstark, während sie aßen.
    Robert und Marie wurden dem Herrn von Coucy wie zwei gemeine Verbrecher

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