Die Bluterbin (German Edition)
fünfzehntausend Mann stark war, mit seinen fünftausend Pferden am 25. August 1248 im Hafen von Aigues-Mortes einschiffte.
Mit offenem Mund starrten die Menschen den farbenprächtigen Rittern in ihren blitzenden Rüstungen hinterher, die, von Armbrustschützen und Fußknechten gefolgt, bei strahlendem Sonnenschein nach und nach in den unersättlich aufnahmefähigen Bäuchen der königlichen Schiffe verschwanden, einer Flotte, die insgesamt aus achtunddreißig großen und Hunderten von kleineren Booten bestand. Niemand zweifelte daran, dass dieses mächtige Heer von Kriegern die Ungläubigen mit Leichtigkeit besiegen und die Heilige Stadt Jerusalem im Sturm erobern würde.
Jubelnd und betend standen die Menschen am Hafen und warteten geduldig darauf, dass Wind aufkam. Drei Tage später war es schließlich so weit, und die königliche Flotte konnte endlich den Hafen verlassen und segelte einem ungewissen Schicksal entgegen.
König Ludwig stand neben seiner Frau, Margarete von Provence, und den gemeinsamen Kindern an Deck und sah aufs Meer hinaus. Er trug einen blaugrünen Waffenrock und eine schlichte Kopfbedeckung aus Kaninchenfell. In der rechten Hand hielt er den Pilgerstab, den er zusammen mit der Oriflamme und der Schärpe während einer feierlichen Zeremonie in Saint-Denis aus der Hand des Kardinallegaten Odo empfangen hatte.
Er sehnte sich mit ganzem Herzen nach Jerusalem, der fernen Prinzessin, wo er dem gekreuzigten Christus, dem er ohne jeden Vorbehalt sein Leben geweiht hatte, näher sein würde.
Aus glänzenden Augen sah Ludwig seine Frau Margarete an.
„Mit Hilfe des Kreuzes werden wir die Ungläubigen besiegen und Jerusalem zurückerobern. Mein ganzes Leben lang habe ich auf diesen Tag gewartet“, frohlockte er, und seine Stimme klang hoffnungsvoll.
Margarete war weniger zuversichtlich als der König, doch sie behielt ihre Gedanken für sich. Sie war eine französische Schönheit aus der Provence und zutiefst gläubig. Trotzdem machte sie sich große Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder.
Das Meer war gefährlich, und man konnte nie wissen, ob man sich nicht eines Morgens auf dem Grund des Meeres wiederfinden würde.
Aber sie wusste auch, dass ihr Mann auf Gott vertraute und Sorgen dieser Art weder kannte noch für gut befand.
Über manche Dinge konnte man mit dem König einfach nicht reden. So hatte sie Ludwig zum Beispiel einmal darum gebeten, ein weniger schlichtes Gewand anzulegen, weil der Unterschied zu ihren eigenen prächtigen Gewändern sonst zu sehr ins Auge fallen würde. Worauf Ludwig ihr lakonisch geantwortet hatte:
„Gut, der Mann soll seiner Frau gefallen; doch umgekehrt gilt dasselbe. Ich habe mich Euch zu fügen und Ihr mir. Ich wünsche also, dass Ihr Euch etwas bescheidener kleidet. Ihr geht künftig so wie ich und ich so wie Ihr.“
Seitdem trug sie nur noch Kleider, die sich kaum noch von denen ihrer Hofdamen unterschieden.
Doch trotz all seiner Eigenarten liebte Margarete ihren Mann und betete unablässig zu Gott, dass er sie alle wohlbehalten wieder nach Hause bringen würde.
Die Überfahrt verlief gut, und am 17. September 1248 traf das christliche Heer der Kreuzfahrer wohlbehalten in Zypern ein. Nach und nach stießen auch die Schiffe der anderen Kreuzfahrer, die von Marseille aus losgesegelt waren, hinzu, und das gesamte Heer bereitete sich darauf vor, dort sein Winterlager zu beziehen.
Anfang März gab der König schließlich den Befehl, die Lebensmittel, die er vor zwei Jahren gekauft und gehortet hatte, an Bord zu bringen.
Berge von Weinfässern stapelten sich neben anderen, die mit Gerste und Weizen gefüllt waren, und es dauerte drei ganze Tage, bis alles verladen war.
Am Samstag vor Pfingsten ließ König Ludwig dann die Segel hissen, und alle Schiffe liefen aus. Soweit das Auge reichte, war das Meer mit Segeln bedeckt, denn die gesamte Flotte zählte nun an die achtzehnhundert Schiffe. In der Bucht von Limisso ließ König Ludwig am nächsten Tag die Anker werfen und begab sich mit seiner Familie an Land.
Es war der Tag des Pfingstfestes. Nachdem sie die Messe gehört hatten, zog ein rauer und starker Wind von Ägypten her auf, und der größte Teil der Schiffe wurde von dem Gefolge des Königs getrennt und an fremde Küsten verschlagen. Nur noch siebenhundert Ritter waren übrig geblieben.
Am Donnerstag nach Pfingsten erreichten sie Damiette, wo bereits die gesamte Streitmacht des Sultans an den Stränden auf sie wartete. Unter dem donnernden
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