Die Bluterbin (German Edition)
Ägypten sollte von den Ungläubigen befreit werden, auf dass die Herrlichkeit Gottes auch hier, in diesem heißen Land am Nil, verkündet werden konnte.
„Sie hängen einer falschen Religion an, weil sie es nicht besser wissen. Es ist unsere Pflicht, sie zu bekehren“, sprach er voller Überzeugung.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass es ein schwerwiegender Fehler gewesen war, gegen Kairo zu reiten, anstatt das strategisch wichtigere Alexandria einzunehmen.
Auf ihrem Vormarsch gelangten die Truppen nach Al Mansurah. Dort kam es zur entscheidenden Schlacht. König Ludwig ritt, von seinem heiligen Auftrag erfüllt, dem Heer voran. Er trug für alle sichtbar den goldenen Helm und kämpfte Seite an Seite mit seinen Rittern. Es war eine Schlacht der Morgensterne und Schwerter, bei der die Sarazenen eine schwere Niederlage erlitten.
Doch schon in der darauf folgenden Nacht griff der Feind seinerseits das durch die Seuche und die vorangegangene Schlacht stark geschwächte Heer an. Die Erde erbebte, als sie vom gegenüberliegenden Nilufer aus brennende Geschosse auf die hölzernen Befestigungslager schleuderten.
Wie dicke Weinfässer, mit einem Feuerschweif so lang wie eine riesige Lanze, stürzten diese auf die Christen herab. Verzweifelt versuchten die Kreuzfahrer, das Feuer zu löschen, doch zu ihrem Entsetzen mussten sie feststellen, dass sie sich bei der Berührung mit Wasser nur noch stärker entzündeten. Die Sarazenen standen mit dem Teufel im Bunde, und Angst und Schrecken griffen um sich, als die Befestigungsanlagen vollständig abbrannten.
Robert von Artois fand eine seichte Stelle im Nil und stürmte, gefolgt von den Tempelrittern, in die Stadt, doch die Sarazenen erwarteten sie bereits, um sie in einen tödlichen Hinterhalt zu locken. Es folgte ein grausames Gemetzel, bei dem Graf Robert und der größte Teil der Tempelritter verbrannt wurden. Den Überlebenden wurden die Augen ausgestochen und das Heer König Ludwigs vernichtend geschlagen.
Ludwig ordnete daraufhin den sofortigen Rückzug nach Damiette an und gab den Befehl, alle Kranken und Verletzten einzusammeln. Die Schiffsleute hatten große Feuer angezündet, um die Lage ihrer Schiffe anzuzeigen, doch als sich die Kranken am Ufer versammelt hatten, um überzusetzen und an Bord zu gehen, stürmten die Sarazenen das Lager und metzelten sie nieder.
König Ludwig und sein Freund Jean de Joinville gerieten ebenso wie die anderen Überlebenden in Gefangenschaft.
Ritter und Knappen wurden in Ställen untergebracht, wo man sie wie Vieh einsperrte, und jedem, der sich weigerte, seinem Glauben abzuschwören, wurde der Kopf abgeschlagen. Die Barone und Fürsten schaffte man ebenso wie den König in die Zeltstadt des Sultans, wo sie nicht wesentlich besser behandelt wurden.
Obwohl man auch ihm Folter und Tod androhte, weigerte sich König Ludwig standhaft, dem Sultan Zugeständnisse zu machen.
Dabei dachte er an Marie, das Mädchen mit der weißen Haut und den tiefgründigen Augen, das ihn mit Gottes Hilfe von seinen Schmerzen befreit und ihm tief in die Seele geblickt hatte. Sie war ihm ein Trost in dieser Zeit, in der sein Herz schwer war und sein Glaube immer wieder auf die Probe gestellt wurde.
Er erzählte seinem Kapellan Wilhelm von Chartres, der ihm nicht von der Seite wich, von dem Wunder, das Gott damals an ihm vollbracht hatte, und die Geschichte seiner Heilung verbreitete sich unter den Gefangenen und gab ihnen Trost und Hoffnung.
28
Das Leben auf der Burg verlief für Marie ungewohnt und hart. Die Anlage war mehr zu Verteidigungszwecken denn als Wohnsitz errichtet worden, und Marie musste sich mit all den anderen Mägden eine der kleinen Gesindekammern teilen.
Doch wenigstens sah sie Robert endlich wieder, dem es wesentlich schwerer fiel als ihr, sich in die Knechtschaft einzufügen. Es fiel ihm nicht leicht, Befehle entgegennehmen zu müssen, und seine Gedanken drehten sich nur noch darum, so schnell wie möglich fliehen zu können.
Sooft es seine Zeit erlaubte, studierte er deshalb die Befestigungsanlagen. Durch die erste Mauer zu gelangen, war nicht schwer. Ungehindert passierten Bauern, Händler und Boten den ganzen Tag über zwischen den beiden Mauerringen. In den inneren Ring zu gelangen, war dagegen schon weitaus schwieriger. Denn hier wurde jeder Einzelne, egal ob Ritter, Händler oder Bauer, von den Wachen kontrolliert.
Es dauerte nicht lange, bis er von den unterirdischen Gewölbegängen erfuhr, die zu jedem Teil
Weitere Kostenlose Bücher