Die Bluterbin (German Edition)
wäret, der meiner Hilfe bedarf.“
Gilles blitzte ihn an. „Ich erkläre es Euch später, und jetzt helft endlich diesem Mädchen“, bemerkte er kühl.
„Von Euch brauche ich keine Befehle entgegenzunehmen“, entgegnete der Medicus trotzig. Sein Schädel brummte, als ob sich ein ganzer Schwarm Bienen darin tummeln würde, und seine Kehle war ausgedörrt wie eine vertrocknete Pflaume.
Gilles sah ihn fest an.
„Ich werde unserem Herrn berichten, dass Ihr die Schuld daran habt, dass wir nicht rechtzeitig auftragen konnten. Ich werde nämlich nicht mit dem Kochen beginnen, bis diesem Mädchen geholfen worden ist.“
Er verschränkte die Arme über der Brust und schaute bedeutungsvoll zur Decke, die schwarz vor lauter Fliegen war.
Der Medicus zögerte. Gilles schien es tatsächlich ernst zu meinen, eine Aussicht, die ihm ganz und gar nicht behagte. Endlich kam Bewegung in ihn. Dieser überhebliche Küchenchef ließ ihm keine Wahl.
„Legt sie dort drüben auf die Bank!“, befahl er mürrisch.
Die Knechte gehorchten und beugten sich mit ängstlichen Gesichtern über das zuckende Mädchen.
„Ich kann nicht viel für sie tun“, maulte der Medicus. „Es wäre besser, Ihr würdet in die Kapelle gehen und zum heiligen Veit beten, der ist zuständig für Besessene, nicht ich.“
„Dann lasst Euch etwas anderes einfallen“, beharrte Gilles stur.
„Zuerst brauche ich einmal einen Becher Wein, damit ich wieder klar denken kann“, forderte der Medicus.
Gilles ließ ihm den Wein bringen und sah zu, wie der Medicus ihn in einem Zug hinunterstürzte. Sofort fühlte er sich besser.
„Ich könnte sie zur Ader lassen“, schlug er danach schon etwas freundlicher vor. Schließlich herrschte Gilles genauso unangefochten über den Weinkeller wie Enguerrand über die Burg. Nicht ein einziger Tropfen Wein ging an ihm vorbei, ohne dass er es bemerkte. Da konnte es nicht schaden, sich gut mit ihm zu stellen.
Gilles sah nachdenklich auf das Mädchen, dessen schreckliche Krämpfe endlich aufgehört hatten und das jetzt tief und fest zu schlafen schien.
Ihr schönes Gesicht war blutleer und weißer als das Gefieder der Schwäne, die er gemeinsam mit einigen Pfauen für den zweiten Hauptgang vorgesehen hatte. Ob das Aderlassen wirklich hilfreich sein würde?
„Gibt es nicht etwas anderes, das Ihr für sie tun könnt?“, fragte er daher.
Der Medicus schüttelte verneinend seinen Kopf, wovon ihm sofort wieder übel wurde.
„Ich brauche noch einen Becher Wein“, stöhnte er. Gilles winkte eine der Mägde zu sich heran und befahl ihr, nochmals Wein zu bringen und nachzuschenken.
Der Medicus stürzte ihn hastig hinunter und spürte, wie die Übelkeit nachließ und der Wein ihn erneut beschwingte. Beinahe freundschaftlich lächelte er den Küchenchef an. So war es schon viel besser, wenn auch noch nicht gut.
„Gebt ihr viel Hühnerfleisch und guten Wein. Zusätzlich werde ich Euch etwas Bitterwurz und Alraune zusammenmischen. Sollten die Krämpfe schlimmer werden, gebt Ihr es ihr in den Wein, es wird sie beruhigen.“
Nach dieser Auskunft verlangte er nach einem weiteren Becher Wein, der ihm auch gewährt wurde.
Marie schlief für den Rest des Tages. Gilles jedoch, dem sein Magenleiden zu schaffen machte, seitdem er sich auf der Burg befand, war das erste Mal seit langer Zeit wieder schmerzfrei. Voller Eifer machte er sich an die Arbeit. Er ließ alle Herde einheizen und die Spanferkel füllen und aufspießen, damit sie auf den dafür vorgesehenen, riesigen Böcken über dem offenen Feuer ausreichend geröstet werden konnten.
Zwischendurch sah er immer wieder nach Marie. Das Mädchen war ihm bisher nicht weiter aufgefallen, was kein Wunder war bei all den Knechten und Mägden, die ihm unterstanden.
Ob sie vielleicht eine Heilerin war oder sogar eine Heilige? Der Küchenmeister hatte ihr nur in die merkwürdig schimmernden dunklen Augen gesehen, und schon hatten sich seine Schmerzen verzogen wie der Rauch in einer der riesigen Essen über den Kochstellen.
Und doch war es unheimlich gewesen, wie sich ihr Gesicht so plötzlich in eine hässliche Fratze verwandelt hatte. Aber vielleicht wollte Gott ja auch nicht zulassen, dass so viel Schönheit und Unschuld ohne bitteren Beigeschmack auf Erden wandelte. Nachdenklich überwachte er die Zubereitung der Speisen, gab Anweisungen und trieb das Gesinde zur Eile an.
Von diesem Tag an stand Marie unter seinem persönlichen Schutz, und er achtete sorgfältig darauf, dass
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