Die Bluterbin (German Edition)
dem Küchenchef, aber der winkte ab.
„Es ist nur mein Magen, der mir zu schaffen macht, und im Moment haben wir andere Sorgen. Heute Abend gilt es, unzählige Bäuche zu füllen.“
Sein Gesichtsausdruck wurde angestrengt.
„Für das Gesinde gibt es das Übliche: Hirsebrei, Hammelfleisch, Fisch, Gemüse und Käse. Die Höflinge und Ritter bekommen Wild und Geflügel und vor allem viel Wein.“ Er lächelte dünn.
„Ihr wisst doch, je mehr sie saufen, umso weniger achten sie auf den Geschmack des Essens, und ich kann das Kochen beruhigt meinen Gehilfen überlassen.
Für die edlen Herren bereiten wir zum ersten Gang frische Erdbeeren in kalter Milch mit Zucker bestreut. Diese kredenzen wir auf grünen Blättern und mit Wassertropfen darauf, als sei es Tau. Das macht Eindruck und ist zugleich bekömmlich.
Für den zweiten Gang dachte ich an Eieromelett mit gewürfelten Zwiebeln, Mandeln und Knoblauch.“ Er grinste gequält.
„Schließlich müssen wir auch an die betagten Herren denken, deren wenigen Zähnen nicht mehr allzu viel zuzumuten ist. Als Zwischengang nehmen wir dann Garnelen aus der Bretagne und Krebse aus der Normandie, die schön um einen Turm aus frischen Forellen herum garniert werden. Das wird unserem Herrn gefallen. Danach werden wir die Spanferkel auffahren, gefüllt mit Pilzen, Bohnen, Erbsen, Zwiebeln, Mandeln und Knoblauch.“
Er öffnete den Mund, um fortzufahren, doch er brachte keinen Ton mehr heraus. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, und er taumelte mit fahlem Gesicht gegen den Tisch zurück, an dessen Platte er sich festhielt. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
„Holt den Medicus, wir brauchen sofort den Medicus“, brüllte Fulcher entsetzt, und zwei der Knechte rannten los, als wäre der Teufel hinter ihnen her.
Marie war gerade damit beschäftigt, ganze Berge verschiedener Gemüsesorten zu putzen, als sie den qualvollen Schrei des Küchenchefs durch die vielen lachenden und streitenden Stimmen hindurch vernahm. Sofort sprang sie auf und eilte, gefolgt von einigen anderen Mägden, in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Dass ihn das Gesinde in einer solchen Situation zu sehen bekam, war dem Küchenmeister offensichtlich unangenehm.
„Geht zurück an Eure Arbeit, ich brauche keine faulen Gaffer um mich herum“, befahl er ihnen, war aber schon viel zu kraftlos, um seiner Stimme noch den nötigen Nachdruck zu verleihen.
Anstatt zu gehen, trat Marie noch näher an ihn heran und sah ihm ruhig in die Augen. Gilles erwiderte ihren Blick und beruhigte sich augenblicklich. Er spürte, wie seine Schmerzen nachließen. Erstaunt richtete er sich auf. Was geschah mit ihm? Von einem Moment zum anderen fühlte er sich so leicht und beschwingt wie schon lange nicht mehr.
Von allen Seiten wurde er angestarrt. Er sah überhaupt nicht mehr krank aus. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.
Fulcher und die anderen warfen sich verständnislose Blicke zu. Doch während sie noch überlegten, was sie von der plötzlichen Genesung ihres Küchenmeisters halten sollten, begann Marie zu wanken. Ihr Gesicht verzerrte sich, sie verlor das Bewusstsein und stürzte auf den kalten Küchenboden.
Das Gesinde bekreuzigte sich mit weit aufgerissenen Augen, nur Gilles reagierte und wandte sich an den Meister der Vorratskeller.
„Hilf mir, sie von hier fortzubringen“, sagte er entschlossen, worauf ihm Fulcher nur einen unsicheren Blick zuwarf.
„Jetzt mach schon, der Teufel wird dich nicht gleich holen, wenn du sie berührst.“
Es sollte ein Scherz sein, aber Fulchers Hände begannen vor Angst zu zittern.
Da wurde Gilles langsam ungeduldig. Ihm selbst war die ganze Sache zwar ebenso wenig geheuer wie dem Meister der Vorratskeller, tief in seinem Inneren spürte er jedoch, dass das Mädchen etwas mit dem wundersamen Verschwinden seiner Schmerzen zu tun hatte.
Genau in diesem Moment erschien endlich der Medicus, gefolgt von den beiden Knechten, in der Küche. Sein dickes Gesicht war vom Alkohol aufgedunsen, und er rieb sich noch immer ganz verschlafen über die Augen. Die Knechte hatten ihn in der Halle gefunden, wo er laut schnarchend seinen Rausch ausgeschlafen hatte.
Sein Blick wurde ärgerlich, als er Marie auf dem Boden liegen sah und ihm klar wurde, dass er ihretwegen aus seinen süßen Träumen herausgerissen worden war.
„Was fällt Euch ein, mich wegen einer Magd zu stören?“, schnauzte er den Küchenchef an. „Eure Knechte haben mir berichtet, dass Ihr es
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