Die Bluterbin (German Edition)
Stallmeister forderte die Menschen lautstark auf, eine Kette zu bilden, um das Feuer schneller zum Brandherd befördern zu können.
Es gelang ihm, ein wenig Ordnung in das Durcheinander zu bringen, jedoch nicht allzu lange. Denn nun jagten die von Panik ergriffenen Tiere aus dem Stall und rannten alles über den Haufen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Das kam Otto gerade recht, der in dem allgemein herrschenden Chaos unbemerkt zum Wagen der Spielleute gelangte. Dort legte er Marie auf dem Wagen ab, wo die Frau sie in Empfang nahm, eine Decke über ihr ausbreitete und sie damit für die Augen aller unsichtbar machte. Leise rumpelnd setzte sich der Wagen in Bewegung. Nachdem Otto sich davon überzeugt hatte, dass niemand auf die Spielleute achtete, lief er zurück auf die Weide und holte dort sein Pferd. Dann folgte er dem Wagen in einigem Abstand. Als er unbehelligt das Stadttor passiert hatte, atmete er erleichtert auf.
Wilder Triumph erfüllte sein Herz. Sein Plan war aufgegangen, und damit hatte er es allen Widrigkeiten zum Trotz doch noch geschafft, seinen Auftrag zu erfüllen.
32
Sobald die Stadt außer Sichtweite war, stieß Otto seinem Pferd die Fersen in die Flanken und hatte die Spielleute schon nach kurzer Zeit eingeholt.
Es war jetzt fast dunkel. Marie stöhnte leise, ein sicheres Zeichen dafür, dass es nun nicht mehr lange dauern würde, bis sie wieder zu sich käme. Otto stieg vom Pferd und reichte den beiden Männern die Hand.
„Ich danke euch für eure Hilfe“, verabschiedete er sich von ihnen, als Marie sich noch immer etwas benommen aufsetzte und verwundert die Augen rieb.
Sie begriff nicht, was mit ihr geschehen war. „Wo bin ich?“, fragte sie leise und sah die Frau auf dem Wagen Hilfe suchend an. Die Frau nickte ihr jedoch nur freundlich zu, gab ihr aber keine Antwort.
Nach Orientierung suchend drehte sich Marie daher nach allen Seiten um. Als ihr Blick dabei auf Otto fiel, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Obwohl sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte, wusste sie intuitiv, dass er derjenige war, der für ihre jetzige Situation verantwortlich war, und dass sie ihm nicht trauen durfte.
„Wir müssen jetzt weiter“, wandte sich Otto ungerührt an sie. „Deine Mutter erwartet dich schon sehnsüchtig.“ Marie war sich sicher, dass er log.
„Wo ist Robert?“, wollte sie wissen. „Ohne ihn gehe ich nirgendwohin“, fügte sie entschlossen hinzu.
„Ich habe den Auftrag, dich nach Bourges zurückzubringen und genau das werde ich tun“, beschied ihr Otto kalt. Danach packte er sie brutal an beiden Händen und zog sie hinter sich her zu seinem Pferd.
Marie wehrte sich, so gut sie konnte, worauf Otto nicht lange fackelte. Erbarmungslos holte er aus und schlug ihr mitten ins Gesicht. Danach nahm er einen Strick und band ihr grob beide Hände zusammen. Maries Augen füllten sich mit Tränen.
„Bitte helft mir doch“, wandte sie sich Hilfe suchend an die Spielleute, doch Otto schnitt ihr sofort das Wort ab.
„Ihr könnt jetzt fahren“, richtete er sich seinerseits an die Truppe. „Euer Auftrag ist erfüllt.“
Der Wagen der Spielleute setzte sich in Bewegung.
„Irgendetwas stimmt da nicht“, meinte die Frau zu ihrem Mann. „Der Kerl hat uns angelogen. Wir müssen dem Mädchen helfen.“ Ihr Mann warf ihr einen kurzen Blick zu.
„Er hat uns gut bezahlt. Alles Weitere geht uns nichts an. Außerdem wissen wir nicht, was wirklich hinter dem Ganzen steckt. Zudem sagt mir mein Gefühl, dass wir uns nur Ärger einhandeln werden, wenn wir uns weiter einmischen.“ Damit war die Angelegenheit für ihn schon erledigt.
Seine Frau fügte sich seiner Entscheidung, seufzte aber schwer. Etwas war an dem Mädchen gewesen, das ihr Herz auf eigenartige Weise berührt hatte.
Otto hob Marie aufs Pferd, stieg dann selbst hinter ihr auf und lenkte das Tier sofort tiefer in den Wald hinein, der nur schwach vom Mond erleuchtet wurde. Sie ritten bis weit nach Mitternacht, erst danach verließ Otto den Weg und suchte nach einem Schlafplatz für die Nacht, der ihnen Schutz gewähren würde. Als er ihn gefunden hatte, hieß er Marie absteigen und fesselte sie an Händen und Füßen, ehe er sich selbst zum Schlafen hinlegte.
Noch bevor es hell wurde, brachen sie bereits wieder auf.
Otto legte nur kurze Pausen ein, in denen er jeweils das Pferd tränkte, ihnen beiden darüber hinaus aber keine Ruhe gönnte. Er wusste, dass der Herr von Coucy ihn verfolgen lassen würde, und wollte daher so
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