Die Bluterbin (German Edition)
flehte Gott an, ihm zu helfen.
Er konnte es kaum erwarten, mit Bernard endlich nach Coucy reiten zu können, doch sein Vater hielt ihn immer wieder zurück und betraute ihn mit einer neuen Aufgabe nach der anderen. Seit dem Überfall der „Hirten Gottes“ gab es in den Ländereien Unruhen unter den leibeigenen Bauern und Knechten, die von den Bettelmönchen nachträglich noch geschürt wurden. Kalte Wut packte Guido de Forez jedes Mal von Neuem, wenn er auf verstopfte Gräben und geborstene Zäune stieß, und die leeren, halb verfallenen Kuhställe erregten seinen Zorn ebenso wie die verwahrlosten Weiden und leer stehenden Dörfer. Normalerweise konnte die Grafschaft ihre Einwohner problemlos ernähren und war darüber hinaus sogar noch in der Lage, einen satten Überschuss zu erwirtschaften. Dass sich seine Ländereien derzeit in weiten Teilen in einem solch schlechten Zustand befanden, hatte er allein den Hirten zu verdanken, die mit ihrer verfluchten Irrlehre die Leute angezogen hatten wie Dreck die Fliegen. Er konnte es einfach nicht begreifen.
Da besaßen sie Arbeit und genügend Essen, um satt zu werden, und hatten dennoch – ohne weiter darüber nachzudenken – all ihr Hab und Gut zurückgelassen, manche sogar ihre Frauen und Kinder.
Jedenfalls hatte Guido de Forez alle Hände voll damit zu tun, wieder Ruhe und Ordnung in die Grafschaft einziehen zu lassen, und war daher nicht bereit, auf Roberts Unterstützung zu verzichten.
Robert war sein einziger Sohn und seine ganze Hoffnung, und insgeheim hatte er beschlossen, ihn erst dann gehen zu lassen, wenn Philippa ihm einen Enkel geboren hatte.
Mit eiserner Hand unterdrückte er die immer wieder aufflackernden Aufstände, bestrafte die Aufrührer mit voller Härte und linderte die gröbste Not unter den Hungernden.
Doch bald schon drohte ihnen eine neue Gefahr, die von einer Horde von Raubrittern ausging, die sich zusammengetan hatten, um reisende Kaufleute zu plündern und abgelegene Burgen zu überfallen.
Guido de Forez ließ auf diese Nachricht hin zur Vorsicht die Wachen verstärken, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass die Ritter es tatsächlich wagen würden, die gut befestigte Burg anzugreifen.
Auch Robert wurde zum Wachdienst auf einem der Türme der Burg eingeteilt. Dort setzte er sich genau wie die beiden anderen Wachen mit dem Rücken zur Wand auf den Boden und hing seinen Gedanken nach.
Durch die Zinnen des Wachturms sah er zwei Bauern mit ihren voll bepackten Wagen auf die Burg zufahren, ansonsten war alles ruhig. Die beiden Wachen hatten sich zum Schutz gegen den scharfen Wind fest in ihre wollenen Umhänge gehüllt und unterhielten sich leise.
Robert hatte seinerseits die Arme vor der Brust verschränkt und dachte an Marie, bis er Schritte auf den Stufen vernahm und gleich darauf hörte, wie sein Name gerufen wurde. Er blickte auf und sah Philippa, die mit freundlichem Lächeln und einer dampfenden Schüssel in den Händen auf ihn zukam.
Sie trug ein scharlachfarbenes Gewand, das sich leuchtend von der grauen Farbe des Himmels über ihnen abhob. Kurz bevor ihr der Gedanke gekommen war, ihrem Mann das Essen auf den Turm zu bringen, hatte sie noch mit Roberts Mutter gesprochen und sich ihren ganzen Kummer von der Seele geredet.
Mathilda hatte sie zu trösten versucht.
„Ihr müsst ihm Zeit lassen. Robert ist ein guter Mann.
Irgendwann wird seine Trauer nachlassen, und er wird sich Euch zuwenden.“
„Bitte sagt mir, was es ist, das ihn so bedrückt, oder liegt es etwa an mir?“ Dabei hatte sie Mathilda direkt in die Augen gesehen, doch die war ihrem Blick ausgewichen.
„Es liegt nicht an Euch“, beruhigte sie ihre Schwiegertochter.
„Ich bin sicher, dass er Euch eines Tages alles erzählen wird, doch bis dahin müsst ihr Euch in Geduld üben. Ihr seid noch jung und habt noch viele gemeinsame Jahre vor Euch.“
Sie war Philippa zugetan und bedauerte zutiefst, dass sich Robert ihr gegenüber so abweisend verhielt. Doch auch ihr und seinem Vater gegenüber hatte er sich verschlossen. Und obwohl kein Wort der Klage über seine Lippen kam, sprachen sein Verhalten und sein Tun eine deutliche Sprache und verrieten Mathilda, dass ihr Sohn auf der elterlichen Burg nicht glücklich war.
Philippa sah sie an und hoffte, noch einen weiteren Rat von ihr zu erhalten, doch die Gräfin beugte sich schweigend wieder über ihre Stickarbeit.
Und so verließ Philippa die Gemächer der Gräfin wieder und begab sich in die Küche, wo
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