Die Bluterbin (German Edition)
war von ihrem Ritter verlassen worden und hatte sich in Berthold verliebt, einen verarmten Ritter, der ihr versprochen hatte, gleich nach der Turniersaison Enguerrands Erlaubnis einzuholen, sie zu heiraten. Als Drittgeborener hatte er zwar keinen Anspruch auf die Burg und die Ländereien seines Vaters, aber sein Auskommen war gesichert, nachdem ihn Enguerrand in seine Dienste aufgenommen hatte und er sich als einer seiner besten Ritter und Schwertkämpfer einen Namen gemacht hatte.
Die Narbe, die sich quer über sein sommersprossiges, rundes Gesicht zog, störte Adiva nicht. Für sie war nicht wichtig, wie er aussah, sondern, dass er stets freundlich zu ihr war und sie zum Lachen brachte. Dafür liebte sie ihn und war ihrerseits dazu bereit, alles zu tun, um ihn glücklich zu machen. Sie selbst war so selig, dass sie ihr Glück unbedingt mit Marie teilen wollte.
„Glaubst du wirklich, dass dein Robert noch kommen wird, um dich zu holen?“, fragte sie Marie eines Tages beim Gemüseschneiden.
Marie nickte voller Überzeugung.
„Wenn es Gottes Wille ist, dass wir uns wiedersehen, wird er kommen.“
Als sie weitersprach, glitt jedoch ein Schatten über ihr Gesicht.
„Er wollte seinen Vater bitten, die Verlobung mit Philippa zu lösen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es ihm gelungen ist.“ Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass sie ihn jemandem gegenüber erwähnte.
Adiva wollte Marie nicht wehtun, aber sie war der Überzeugung, dass ihr endlich jemand die Augen öffnen musste, damit sie aufhörte, auf etwas zu warten, was doch nie eintreten würde. Adiva wusste, dass Marie die Monate, die seit Roberts Abreise vergangen waren, nicht gezählt hatte und dass sie auf ihn wartete, obwohl sie nie wieder etwas von ihm gehört hatte. Doch allmählich wurde es Zeit für sie, zu heiraten, anstatt so lange zu warten, bis sich kein Mann mehr für sie interessieren würde, und damit zu riskieren, den Rest ihres Lebens allein verbringen zu müssen.
„Es könnte ja sein, dass ihm etwas zugestoßen ist“, gab sie vorsichtig zu bedenken.
„Ich bete jeden Tag zu Gott, damit Er ihn beschützt“, erwiderte Marie bestimmt.
„Aber er hätte doch wenigstens eine Nachricht für dich senden können“, entgegnete Adiva, die nicht so schnell bereit war aufzugeben.
„Er wird seine Gründe dafür haben, es nicht getan zu haben. Robert ist anders als die anderen Männer, und wenn er etwas verspricht, hält er es auch.“
Das sah Adiva jedoch ganz anders, und sie verlor langsam die Geduld.
„Nicht doch, Männer sind alle gleich. Aus den Augen, aus dem Sinn. Wenn dein Robert geheiratet hat, wird er dich, falls er überhaupt noch kommt und dich nicht schon längst vergessen hat, höchstens als seine Mätresse auf die Burg holen. Und vorher muss er zudem unseren Herrn davon überzeugen, dich gehen zu lassen, und das wird Enguerrand niemals tun“, stieß sie heftiger hervor, als sie es vorgehabt hatte.
„Hör auf zu träumen und nimm einen von Enguerrands Rittern zu deinem Gemahl. Von Berthold weiß ich, dass der dunkelhaarige Raimund nicht abgeneigt wäre, dich heimzuführen. Er ist von ansehnlicher Gestalt, und wenn er manchmal auch etwas aufbrausend ist, sagt Berthold dennoch, dass man sich auf ihn verlassen kann. Er hat schon einige Turniere gewonnen und besitzt in der Grafschaft Burgund eine kleine Burg, in der er den Winter verbringt. Wenn du erst einmal verheiratet bist, brauchst du auch nicht länger in der Küche zu schuften.“
„Die Arbeit hier macht mir nichts aus“, erwiderte Marie daraufhin nur.
Adiva gab auf. Wenn sich Marie partout nicht helfen lassen wollte, musste sie eben allein sehen, wie sie später zurechtkommen würde. Wütend hackte sie auf den Kohl ein. Sobald sie selbst erst einmal verheiratet wäre, würde sie Marie kaum noch sehen, und der Gedanke daran gefiel ihr ganz und gar nicht. Zwar konnte sie nicht wirklich benennen, was genau sie so zu ihrer Freundin hinzog, aber Marie strahlte eine Wärme aus, die sie vorher nicht gekannt hatte, und wann immer sie bei ihr war, fühlte sie sich auf eine wunderbare Weise geborgen.
Robert war damit beschäftigt, eine Übersicht des Viehbestandes anzulegen und die Bauern jeweils nach der Größe des ihnen zugeteilten Pachtlandes aufzuschreiben. Die Liste sollte ihm dabei helfen, einen genauen Überblick über die Abgaben, die er zu erwarten hatte, zu gewinnen.
Bruno, der schon seinem Vater lange Jahre als Verwalter gedient hatte, half ihm dabei, so
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