Die Bluterbin (German Edition)
an.
„Sie hat Euch geliebt, und ich hatte ihr so sehr gewünscht, dass sie glücklich mit Euch werden möge.“
Ein stummer Vorwurf lag in ihrem Blick.
Robert wandte sich ab und stieg die Treppe zum Turm hinauf. Der Feind war geschlagen, und der Rest der Raubritter, der nicht in die Burg eingedrungen war, sondern draußen auf freiem Feld auf seinen Einsatz gewartet hatte, hatte sich zur Flucht gewendet, als offensichtlich geworden war, dass die Einnahme der Burg fehlgeschlagen war. Von oben sah er, dass sich Hugo und Raimund, begleitet von ihren Knappen und den Wachen, bereit machten, die Verfolgung aufzunehmen.
Warum nur, fragte er sich, als er Philippa hochhob und sie auf seinen Armen die Treppe hinuntertrug. Selbst im Tod war sie noch schön, und seine Mutter hatte recht gehabt. Philippa hatte es nicht verdient, dass er sie kaum beachtet und sich so wenig um sie gekümmert hatte. Er allein war an ihrem Unglück schuld, die Ehe mit ihm hatte ihr wahrlich nur Verdruss und zuletzt sogar den Tod gebracht. Und so drückte er ihr einen letzten Kuss auf die Lippen.
„Bitte verzeiht mir, wenn Ihr könnt. Das, was geschehen ist, habe ich nicht gewollt.“
Philippa wurde neben Guido de Forez in der Kapelle aufgebahrt.
Seit dem Tod des Grafen herrschte eine drückende Atmosphäre auf der Burg, und Robert spürte zunehmend die Erwartungen, die in ihn als den einzigen ehelichen Sohn und Nachfolger des Grafen gesetzt wurden. Sein Vater war bei seinen Untergegebenen äußerst beliebt gewesen und hatte mit strenger, aber gerechter Hand geherrscht. Nun hofften alle, dass Robert das Geschick der Grafschaft und damit auch das seiner Bewohner mit ebenso glücklicher Hand lenken würde.
Unmittelbar nach dem Begräbnis kamen Hugo und Raimund zu Robert, um sich von ihm zu verabschieden, doch er bat sie darum, noch eine Weile auf der Burg zu bleiben. Sein Vater hatte sich in seinem Urteil über die beiden Ritter nicht geirrt. Beide hatten sich tapfer geschlagen und überaus ehrenvoll gekämpft, und Robert wusste sehr wohl, dass der Überfall einen anderen Ausgang genommen hätte, wären sie nicht an seiner Seite gewesen.
Vor allem der dunkelhaarige Hugo erinnerte ihn in seiner Unbekümmertheit an seinen Freund Bernard.
„Im Namen meines Vaters möchte ich Euch bitten, hierzubleiben, bis ich mich in meine neuen Aufgaben eingefunden habe und ihnen gerecht werden kann.“
Die Brüder erklärten sich sofort einverstanden, zumal die Turniersaison schon fast vorbei war und es auf einige Monate mehr nun auch nicht mehr ankam.
Und so ritt Robert in den darauf folgenden Tagen, begleitet von Hugo und Raimund, die Grafschaft ab, um sich ein genaueres Bild von den Leibeigenen sowie seinen Ländereien machen zu können. Guido de Forez hatte seinen Leuten stets genügend zum Leben gelassen und sie nicht bis aufs Blut ausgepresst, wie es im Gegensatz zu ihm viele andere Adlige im Land taten. Wenn einer der Bauern unverschuldet in eine Notlage gekommen war, hatte er ihm geholfen, doch sobald jemand versucht hatte, seine Gutmütigkeit auszunutzen, hatte er ihn mit harter Hand bestraft.
Der Herbst ging ins Land, und im darauf folgenden Winter erkrankte die Gräfin so schwer, dass alle mit dem Schlimmsten rechneten. Doch Mathilda erholte sich wieder, wenn auch nur langsam. Robert besuchte sie während ihres Krankenlagers, sooft es seine Zeit erlaubte, und fast jedes Mal erzählte er ihr dabei von Marie und ihren wundersamen Heilkräften.
„Ich würde sie gerne kennenlernen“, meinte Mathilda und machte Robert damit eine riesige Freude.
„Das werdet Ihr“, versprach er voller Überzeugung. „Gleich nächstes Frühjahr werde ich mit Bernard nach Coucy reiten, und mit Gottes Hilfe wird es mir gelingen, sie von dort wegzuholen.“
38
Marie schenkte der Zeit, die vorüberging, keine Beachtung. Die Jahreszeiten, die genauso rasch wechselten wie die Frauen an Enguerrands Seite, waren für sie nicht von Bedeutung.
Was für sie zählte, waren allein die Kranken, um die sie sich unentwegt kümmerte, und die wenigen Minuten, die sie im stummen Gebet in der Kapelle verbringen konnte. Und Robert. Jeden Abend, wenn sie sich zum Schlafen hinlegte, schickte sie ihre Gedanken zu ihm auf die Reise, und jedes Mal wurde sie von brennender Sehnsucht nach ihm erfüllt. Aber stets war sie sich sicher, dass er eines Tages zurückkommen würde, um sie zu holen, und allein dieser Gedanke bewirkte, dass ihr nichts und niemand etwas anhaben konnte.
Adiva
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