Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
Vom Netzwerk:
Hände von der vielen Arbeit und dem kalten Wasser mit dicken Schwielen überzogen waren.
    Im Laufe der Jahre hatte sie sich jedoch an das harte Leben gewöhnt und war zufrieden damit, denn sie bekam stets genug zu essen und brauchte im Winter nicht zu frieren. Wenn sie abends in die kleine Kammer ging, die sie mit vier anderen Mägden teilte, war sie todmüde und schlief sofort ein.
    Aber dann hatte sich mit einem Schlag alles geändert. Ihre Brüste begannen sich zu wölben, und die erste Blutung stellte sich ein. Sie hatte sich nicht weiter um die begehrlichen Blicke der Männer gekümmert, die ihr von nun an gefolgt waren, und als sie deren Bedeutung endlich begriffen hatte, war es schon zu spät gewesen.
    Der älteste Sohn des Grafen war ihr, ohne dass sie es bemerkte, in den kleinen Schuppen hinter der Burgküche gefolgt.
    Sogar noch heute erschien ihr sein höhnisches Grinsen, wenn sie nachts nicht schlafen konnte, vor den Augen, und sie konnte seinen von Wein geschwängerten Atem riechen.
    Mit brutaler Gewalt war er über sie hergefallen und hatte sich rücksichtslos genommen, was er begehrte. Mehr tot als lebendig war sie noch am gleichen Abend von der Burg geflohen, bevor der Burgfried verschlossen und die Zugbrücke hochgefahren worden war.
    Während der langen, einsamen Wanderschaft, die danach für sie begonnen hatte, war ihr Bauch immer dicker geworden.
    Irgendwann hatte sie die Stadt erreicht und war erschöpft vor dem Hause der Machauts zusammengebrochen. Während die Herrin des Hauses ein gesundes, wenn auch zartes Mädchen zur Welt brachte, hatte sich ihr Sohn bei dem Versuch, auf die Welt zu gelangen, mit seiner eigenen Nabelschnur stranguliert und war nach langem Kampf tot zur Welt gekommen.
    Elsa hatte es als gerecht empfunden und Gott von ganzem Herzen dafür gedankt. Sie hatte dieses Kind nicht gewollt, das sie nur immer wieder an das schlimmste Erlebnis ihres Lebens erinnert hätte.
    Das kleine Mädchen der Hausherrin trank aus ihren überquellenden Brüsten und füllte die Leere, die das ungewollte Kind dennoch in ihr hinterlassen hatte.
    Elsa hatte nie wieder die Nähe eines Mannes gesucht. Seit ihrer Vergewaltigung traute sie ihnen nicht mehr und war ihrem Interesse und ihren Nachstellungen erfolgreich aus dem Weg gegangen.
    Alle Liebe, zu der sie fähig war, hatte sie Marie geschenkt, die von ihrer eigenen Familie vom ersten Atemzug an nur Ablehnung erfahren hatte.

6
    Nachdem der Zunderhändler Marie nach Hause gebracht hatte, suchte er voller Sorge nach seinem Pferd und fand es schließlich erschöpft und verwundet in einer kleinen Gasse.
    Er wusste, dass es vergeblich sein würde, auf den Marktplatz zurückzukehren, um nach den Überresten seiner Ware zu suchen, die von den Flammen verschont geblieben waren. Bettler und anderes Gesindel hätten sich sicher schon längst darüber hergemacht und die allgemeine Verwirrung dazu benutzt, alles, was ihnen unter die Finger kam, an sich zu raffen und wegzutragen.
    Er nahm das Pferd am Zügel und verließ auf Umwegen die Stadt, denn er wollte vermeiden, auf jemanden zu treffen, der ihm womöglich die Schuld an dem Unglück geben und Schadenersatz von ihm verlangen würde.
    Obwohl er seinen gesamten Besitz verloren hatte, fühlte er sich leicht und frei wie nie zuvor in seinem Leben und dankte Gott im Stillen dafür. Irgendwie würde es schon weitergehen.
    Er könnte das Pferd verkaufen und seine Familie mit dem Erlös über den Winter bringen. Vielleicht würde es sogar noch für einen Esel oder ein altes Maultier reichen. Im Frühjahr würde er dann noch einmal von vorne beginnen und so lange Baumpilze sammeln, bis er sich ein neues Pferd leisten konnte.
    Immer wieder tauchte das Gesicht des engelsgleichen Mädchens vor ihm auf. Er spürte, dass sie etwas mit seiner wundersamen Genesung zu tun haben musste, auch wenn er sich nicht zu erklären wusste, wie das möglich sein sollte. Gegen Abend kam er an einem aus Stein gebauten Kloster vorbei. Er klopfte an die Pforte und bat um eine Unterkunft für die Nacht, die ihm wie jedem Reisenden gewährt wurde.
    Ein gebeugter, alter Mönch mit schlohweißer Tonsur wies ihm freundlich den Weg zu den Ställen, in denen er sein Pferd unterstellen konnte. Anschließend begab er sich zur Herberge, einem schlichten, scheunenähnlichen Gebäude, das sich an der Rückseite der Kapelle befand und den Reisenden als Unterkunft diente. Zwei Brüder in brauner Kutte standen neben einem grob gezimmerten Tisch und

Weitere Kostenlose Bücher