Die Bluterbin (German Edition)
teilten schweigend das Abendessen an die lange Schlange der Reisenden aus.
Nachdem er eine Erbsensuppe, ein Stück Brot und einen Becher mit verdünntem Wein erhalten und seine Mahlzeit hungrig verzehrt hatte, begab er sich zu den Ställen auf der gegenüberliegenden Seite des Klosterhofs, wo ein älterer Mönch in einer braunen Leinentunika gerade damit beschäftigt war, Heu an die Pferde auszuteilen. Immer wieder hielt er dabei inne, um einem der Tiere über die weichen Nüstern zu streicheln. Er schien die Tiere zu mögen und nahm den Zunderhändler dadurch auf Anhieb für sich ein.
Als dieser näher trat, sah Bruder Gilbert auf. Seine kleinen, klugen Augen strahlten heitere Zufriedenheit aus.
„Gott schütze Euch, kann ich Euch behilflich sein?“, fragte er.
So viel Freundlichkeit hatte der Zunderhändler nicht erwartet. Verlegen blickte er zu Boden und meinte dann:
„Mein Pferd hat sich verletzt, und die Wunden haben angefangen zu eitern. Das Pferd ist alles, was ich noch besitze.“
Der Mönch lächelte ihn an. „Ich werde sehen, was ich tun kann, wartet hier auf mich. Ich bin gleich zurück.“
Der Zunderhändler konnte sein Glück kaum fassen. Das zweite Mal an diesem Tag begegnete er einem Menschen, der ihm, ohne lange zu überlegen, seine Hilfe anbot.
Während er noch immer überlegte, was das wohl zu bedeuten hatte, kam der Mönch auch schon zurück. In seiner Hand hielt er eine gedrechselte Holzdose, deren Deckel er jetzt öffnete. Ein scharfer Geruch stieg dem Kutscher in die Nase.
„Das ist Baumöl mit Alaun, Kampfer und Himmeltau“, erklärte ihm Bruder Gilbert.
Gemeinsam begaben sie sich zu dem verletzten Schecken, der freudig schnaubte, als er seinen Herrn erkannte. Mit einem dünnen Holzspatel trug der Mönch die Paste auf die Verletzungen auf.
„Wenn Ihr morgen früh aufbrecht, werden die Wunden geschlossen sein.“
Der Zunderhändler bedankte sich mit Tränen in den Augen.
Bruder Gilbert sah ihn streng an.
„Dankt Gott für Seine Hilfe, nicht mir, Ihm diene ich mit ganzem Herzen.“
Er wollte sich entfernen, doch der Händler hielt ihn zurück. Verlegen druckste er eine Weile herum. Es schien ihm unverschämt, den Mönch noch länger zu belästigen, doch sein Wunsch, eine Antwort auf seine Fragen zu erhalten, war übermächtig geworden und überwog seine Bedenken.
Der strenge Ausdruck im Gesicht Bruder Gilberts wurde weicher, als er die angespannte Aufregung des Händlers bemerkte. Ruhig wartete er, bis der Fremde zu reden begann.
„Heute Morgen ist ein Wunder geschehen: Eine Jungfrau, rein wie ein Engel, ist vor mir erschienen und hat mich geheilt.“
Nachdem er den Anfang gemacht hatte, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus, und er erzählte dem freundlichen Mönch von dem seltsamen Mädchen mit der weißen Haut, das wie ein himmlisches Wesen aussah und das irgendetwas mit seiner wundersamen Heilung zu tun haben musste. Während er erzählte, war es ihm, als würde er alles noch einmal erleben.
Bruder Gilbert hörte ihm aufmerksam zu. Seine Augen wurden dabei immer größer, und neue Hoffnung strahlte in ihnen, als ihn der Händler, nachdem er geendet hatte, voller Erwartung ansah.
„Jetzt wisst Ihr alles, und nun sagt mir, womit ich dieses Wunder verdient habe. Ich bin nur ein einfacher Mann, der versucht, seine Familie zu ernähren“, sagte er mit gesenktem Kopf, und Tränen der Rührung liefen dabei über seine Wangen.
Bruder Gilbert konnte nicht anders. In seinen Augen glitzerten ebenfalls Tränen, als er den Händler umarmte und ihm einen brüderlichen Kuss auf die unrasierte Wange drückte.
„Gott hat meine Gebete erhört und mir ein Zeichen gesandt, indem Er Euch hier hergeführt hat, um mir von diesem Wunder zu berichten und so meinen Glauben zu stärken“, stammelte er tief bewegt.
Überwältigt von seinen Gefühlen brach er die Ordensregel, seine Worte stets auf das Nötigste zu beschränken, und redete mehr als sonst in einem ganzen Monat: „Meine Familie ist von einer Horde Raubrittern überfallen worden, als ich noch ein kleiner Junge war. Sie erschlugen meinen Vater, schändeten meine Mutter und spießten meine Geschwister auf wie Spanferkel. Dann plünderten sie den Hof und steckten ihn in Brand. Unser alter Verwalter und ich waren die einzigen Überlebenden.
Erst nach einer langen, dunklen Zeit, in der mein Herz blind und voller Hass auf Gott und die Menschen war, habe ich in diesem Kloster meine Ruhe gefunden. Mit Gottes Hilfe ist es
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